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Bayreuth — Geheimnis des Erfolgs

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Der nachdenkliche Besucher der B a y- reuther Festspiele mag sich bisweilen die Frage stellen, warum jedes Jahr lange vor dem Beginn sämtliche Vorstellungen ausverkauft sind. Die Werke Richard Wagners werden heute auf allen größeren Bühnen gespielt. Sogar „Parsi- fal" und die Ring-Tretralogie machen keine Ausnahme. Es sei denn, man glaubte, in Bayreuth jeweils die besten Darsteller erleben zu können, was aber nicht einmal immer der Fall ist. Das Geheimnis des Erfolgs?

Zugegeben, daß noch immer viele nach Bayreuth fahren, um einmal dabeigewesen zu sein, sei es nun um die Erfüllung eines lang gehegten Wunsches, der Begegnung mit den Werken Richard Wagners durch den Besuch seiner Festspiele eine gewisse Krönung zu geben, oder eine Folge des sommerlichen Festspieltourismus, in dessen Sog so viele Festspiele neben Bayreuth und Salzburg sich einer gewissen Hochkonjunktur erfreuen können. — Das wäre aber nur ein äußerlicher Erfolg, der, wenn nicht mehr dahintersteckte, nach einer gewissen Saturierung des Publikums von selbst nachließe.

Die Ursache liegt wesentlich tiefer, sie reicht an die Wurzel der Idee von Festspielen überhaupt. Was den Salzburger Festspielen seit Hugo von Hofmannsthal nur wieder in geringem Maße gelungen ist, haben die beiden Söhne Siegfrieds — Wieland und Wolfgang Wagner — in den elf Jahren seit der Neugründung nach dem Kriege erreicht. Durch ihre radikale Neuorientierung gelang es ihnen, an Stelle der Opernfestspiele Bayreuth jenes dramaturgische und szenische Erlebnis des archetypologischen Theaters zu setzen, das dem Begründer Richard Wagner vorschwebte und das heute allein die Reise nach Bayreuth wert ist, da man es nur hier erleben kann.

Nur auf diesem Hintergrund kann man der Taten Wieland Wagners vor allem gerecht werden. Seine Bayreuther Dramaturgie richtet sich als Prinzip einer Gegenkunst gegen die verstaubte Konvention der Kunstgattung Oper mit all ihrem saal wird durch ein ijitterwerk aus zahlreichen romanischen Rundbogen und das Wartburgtal durch drei stilisierte Bäume, denen im letzten Akt die Blätter fehlen, kenntlich gemacht.

Die Symbole von damals, Kreuz und Venusbergmuschel, und alle sonstigen Ornamente fehlen vollkommen. An ihre Stelle ist der Mensch getreten, gleichermaßen als Symbol der Innenhandlung. Reglos und unnahbar, mit einem prächtigen Gewand bekleidet, thront die Venus inmitten der umhertobenden Liebestrunke- nen; ihr zu Füßen Tannhäuser. Ihren Platz hat im letzten Akt Wolfram, stellvertretend für Elisabeth eingenommen. Die Pilger treten nicht mehr als geschlossene Masse auf, sondern sie kommen in Dreiergruppen, jeweils ein Kreuz tragend, daher; gesungen wird aus dem Hintergrund, das optische und akustische Erlebnis ist aufgeteilt, nicht aber getrennt. Schmerz, Verzückung, Fanatismus und Hysterie bringen ihre Gebärden zum Ausdruck. Folgerichtig müßten die Pilger im letzten

Akt als Masse auftreten, zum Ausdruck ihrer gemeinsam empfundenen Freude, im Gegensatz zum nur individuell empfundenen Schmerz.

Den Tannhäuser gestaltete Wolfgang Windgassen in maßloser Auflehnung und niederschmetternder Zerknirschung; stimmlich und darstellerisch seine beste Leistung innerhalb der letzten Jahre. Daneben Grace B u m b r y mit ihrem sinnlich lockenden Mezzosopran als Venus; warm und verinnerlicht Victoria d e 1 o s Angeles’ Elisabeth, sehr eindrucksvoll ihre stumme Zwiesprache mit Wolfram im dritten Akt; ganz groß Dietrich Fischer-Dieskau, der mit berük- kender Klangfülle und unmittelbarer Ausdrucksgewalt den Wolfram gestaltete; schließlich noch Josef G r e i n d 1 als Landgraf und die vier Wartburgsänger Gerhard Stolze, Franz Crass, Georg Pas- kuda und Theo Adam. — Imponierend, wie es Wolfgang Sawallisch gelang, die Bacchanalmusik der fünfzehn Jahre vorher entstandenen Tannhäuser-Partitur anzugleichen. Sehr gut, wie immer, die von Wilhelm Pitz einstudierten Chöre.

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