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Das Bergwerk über der Erde

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Die bereits Tradition gewordene Opernuraufführung bei den Salzburger Festspielen wurde in diesem Jahr folgendermaßen angekündigt: „Das Bergwerk zu Falun von Hugo von Hofmannsthal. Opernfassung und Musik von Rudolf Wagner-Regeny.” Trotz dieses bescheidenen Zurücktretens des Komponisten handelt es sich bei dem Werk Wagner- Regenys um eine vollgültige, durchkomponierte Oper, und zwar um eine Partitur von etwa viereinhalbstündiger Aufführungsdauer — die bei der Salzburger Premiere auf etwa zwei Stunden Spielzeit zusammengestrichen wurde.

Der 1903 in Sächsisch-Regen geborene, gegenwärtig in Ost-Berlin lebende und lehrende Siebenbürger, hat 1935 die von Dr. Karl Böhm in Dresden uraufgeführte Oper „Der Günstling”, 1939 „Die Bürger von Calais” (Uraufführung unter Karajan in Berlin) und zwei Jahre später „Johanna Balk” geschrieben, deren von Protesten begleitete Premiere an der Wiener Staatsoper stattfand. Wer damals protestierte — das ist heute schwer zu rekonstruieren. Jedenfalls waren es nicht die Freunde neuer, „moderner” Musik. Denn Caspar Neher, der Librettist der drei genannten Opern, seit einem Menschenalter mit Bert Brecht befreundet, hatte es verstanden, etwas von dessen Geist und von der Ästhetik des epischen Theaters in die Kraft-durch-Freude-Ära hereinzuschmuggeln. Und die Musik Wagner-Regenys wirkte damals hart, karg, antiromantisch.

Aber mit diesen frühen Opern, von denen „Der Günstling” ein Welterfolg war, hat das neueste Bühnenwerk Wagner- Regenys, „Das Bergwerk zu Falun”, kaum mehr etwas gemein. Stoff, Technik, weltanschaulicher und künstlerischer Habitus erscheinen stark verändert. Die lapidaren, oft songmäßigen Einzelnummern, aus denen Wagner-Regenys frühere Partituren bestanden, sind einem fast durchweg rezita- tivischen, der Sprachmelodie genau folgenden Gesangsstil gewichen, die Holzschnittmanier einer größeren Differenzierung, speziell der Klangpalette, und die Diatonik der Dodekaphonik. Die neue Partitur Wagner-Regenys nämlich ist in freier Zwölftontechnik geschrieben, nachdem sich der Komponist mehr als zehn Jahre mit deren Grundlagen befaßt hatte. So erscheint diese Oper, zumindest was ihre Technik betrifft, gewissermaßen als ein „Nachholwerk”, wenn man bedenkt, daß Schönberg die Zwölftontechnik bereits vor einem Menschenalter erfunden hat, daß

Krenek seine erste dodekaphonische Oper „Karl V.” 1933 vollendet hat — und daß heute wieder ganz andere Moden en vogue sind. Und wenn vor einigen Jahren, als „Der Günstling” an einer westdeutschen Bühne wiederaufgeführt wurde, dortige Zeitungen den Komponisten Wagner-Regeny hämisch als einen „Günstling” bezeichneten, so kann man sich darüber nur wundern. Denn eben dieser „Günstling” ist immer gegen den Strom geschwommen. Nur eben einmal, mit seiner ersten Oper, hat er Glück gehabt

Ob dies, sein vorläufig letztes Bühnenwerk, vom Glück begünstigt sein wird? Nach der Salzburger Uraufführung jedenfalls kann man diese Frage nicht positiv beantworten.

Da ist zunächst einmal der Text. Ohne Zweifel ein schönes, hochpoetisches, symbolträchtiges Stück, das der 25jä’nrige Hofmannsthal 1899 niedergeschrieben, von dem er aber nur den 1. Akt veröffentlicht hat. Nur diesen nämlich, den er überdies als „Vorspiel” bezeichnete, sah er für künstlerisch abgeschlossen an. Die übrigen, aus dem Nachlaß veröffentlichten vier Akte, hielt er „aus inneren Gründen” zurück und gab auch das Vorspiel nicht zur szenischen Aufführung frei. Die auf einer realen Begebenheit beruhende Fabel (die Hebel in seinem Schatzkästlein mitgeteilt hat) benützten unter anderen auch E. Th. A. Hoffmann und Richard Wagner. Für

Hofmannsthal war die Geschichte von dem Bergmann von Falun nur ein Motiv, eine Keimzelle, aus der er die Tragödie des Introvertierten, der hinüberzugelangen sucht ins „andere Reich”, gestalten wollte. „Elis Fröbom”, so deutet der Germanist und Hofmannsthal-Freund Walther Brecht das Stück, „der an seinem Hochzeitsmargen in den Berg geht, um bei der Bergkönigin, den Gesetzen der Zeit enthoben-, das geheimnisvolle Leben aller Dinge mitzuerleben, mitzuherrschen mit den untersten Kräften alles Seins, ist das Sinnbild des Menschen, der, gelöst von aller Bindungen irdischen Lebens, reiner Geist geworden, sich einsenken will in der Mittelpunkt der Welt “ Dieser magischmystische Weg schien Hofmannsthal ir späteren Jahren nicht mehr gangbar; et verleugnete nicht, was er als junget Mensch geschrieben hatte, aber er wat nicht mehr imstande, den ursprünglicher Plan auszuführen.

In diesen Text hat sich der Komponist Wagner-Regeny, wie er bekennt, richtig verliebt und ihn mit einer etwas eklektischen, das Niveau der Dichtung wahrenden, freilich an kaum einer Stelle mitreißenden Musik ausgestattet. Der Regisseur des Werkes aber, Herr Paul Hager hat die ganze Geschichte vom Abstieg de: Helden ins Innere des Berges, wohin ihr die Bergkönigin zieht, nieht recht geglaub und die zweite Szene des 1. Aktes so in szeniert, als habe Elis Fröbom eine Halluzination. Er führt die Bergkönigin zu ihm an den Meeresstrand, zwischen Fischerhütte und Hafenschenke, und er deutet die magische Unterwelt (oder Überwelt) nur flüchtig an. Das Anfangsbild ist räumlich und atmosphärisch gut gelungen, die übrigen Szenen (Bilder und Kostüm von Leni Bauer-Escy) haben wenig Stimmung und sind viel zu realistisch geraten.

Da ging von den Hauptdarstellern, die zugleich auch ausgezeichnete Sänger waren, mehr aus. Vor allem von Hermann Uhde als Elis Fröbom, von Anna, seiner Braut (Elisabeth Schwarzenberg), von den drei leichten Fischermädchen (den Damen Kahmann, Richard und Dutoit), von Res Fischer als Großmutter, Ludwig Weber als Dahlsjöh, dem Vater der Anna, und von Sieglinde Wagner als Wirtin, während den Gestalten aus der anderen Welt — Sona Cervena als Bergkönigin und Max Lorenz als dem uralten Torbern — jene Aura fehlte, für die der Regisseur entweder kein Gespür hat, oder die er absichtlich aus dem Stück hinausinszenieren wollte.

Die nie grobe oder gar kitschige Musik Wagner-Regenys, die Leistungen der Solisten und des Dirigenten Heinz Wallberg, der die Partitur sehr sorgfältig einstudiert und souverän interpretiert hat, sowie die wirkungsvollen Aktschlüsse verhalfen dem Werk zu einem Achtungserfolg.

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