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Das Beste vom Reste

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Wenn ein Musikfestspiel von knapp sechswöchiger Dauer — und als ein Musikfestspiel muß der alljährliche Kunstsommer an der Salzach wohl bezeichnet werden —, wenn also ein est von solcher zeitlicher Dimension und nicht minder beträchtlicher Veranstaltungsdichte auf dem Sektor der Musik nur zwei Premieren offerieren kann, davon eine sogenannte „kleine“ (und oft, wie dies die Vergangenheit lehrte, recht armselige), dann empfiehlt das heutige Sprach(verlust)gefühl ein bestimmtes Wort beziehungsweise dessen scherzhafte Verwandlung: Aus dem Festival wird ein Resti-val. Nicht unbedingt ist damit, wie beim Sommerschlußverkauf, die Gefahr einer Qualitätseinbuße verbunden. Der Gast, der, aus welcher Gegend immer er in die Mozart-Stadt kommt, kann hier Jean-Pierre Ponnelles mustergültig gescheite, weil nach der Partitur inszenierte Aufführung des Rossinischen „Barbiers von Sevilla“ bewundern, eine Regieleistung, deren Resonanz bei Publikum und Presse dem jungen Mann die Einladung für die heurige Salzburger „Cosi-fan-tutte“-Premiere gebracht hat. (Über sie wurde an dieser Stelle schon berichtet.)

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Wenn ein Musikfestspiel von knapp sechswöchiger Dauer — und als ein Musikfestspiel muß der alljährliche Kunstsommer an der Salzach wohl bezeichnet werden —, wenn also ein est von solcher zeitlicher Dimension und nicht minder beträchtlicher Veranstaltungsdichte auf dem Sektor der Musik nur zwei Premieren offerieren kann, davon eine sogenannte „kleine“ (und oft, wie dies die Vergangenheit lehrte, recht armselige), dann empfiehlt das heutige Sprach(verlust)gefühl ein bestimmtes Wort beziehungsweise dessen scherzhafte Verwandlung: Aus dem Festival wird ein Resti-val. Nicht unbedingt ist damit, wie beim Sommerschlußverkauf, die Gefahr einer Qualitätseinbuße verbunden. Der Gast, der, aus welcher Gegend immer er in die Mozart-Stadt kommt, kann hier Jean-Pierre Ponnelles mustergültig gescheite, weil nach der Partitur inszenierte Aufführung des Rossinischen „Barbiers von Sevilla“ bewundern, eine Regieleistung, deren Resonanz bei Publikum und Presse dem jungen Mann die Einladung für die heurige Salzburger „Cosi-fan-tutte“-Premiere gebracht hat. (Über sie wurde an dieser Stelle schon berichtet.)

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Am „Borbier“ war zuvörderst festzustellen, daß die Aufführung in ihrer szenischen Qualität erhalten werden konnte und trotz einer im letzten Augenblick erfolgten Umbe-setzung des Titelparts den Eindruck der Homogenität nicht eingebüßt hat. Lob und wohl auch ein wenig Bewunderung dafür sind dem Regisseur und fast noch mehr dem wagemutigen Einspringer für Hermann Prey zu zollen, nämlich dem amerikanischen Baritonisten Robert Kerns, auch an der Wiener Staatsoper eher als nobler Lyriker, als Mozart-Almaviva und Verdi-Ger-mont bekannt und im Fach des spring- und turnfreudigen Buffo-nesken nicht unbedingt zu Hause. Trotz der knappen Probenzeit von nur einer Woche, in der Kerns zudem auch noch die Vorbereitung der Wiederaufnahme von Cavalieris „Rappresentatione“ zu bewältigen hatte, stand er in der turbulenten Ponnelle-Inszenierung seinen Mann, ließ sich weder durch die Sturzflut, von szenischen Pointen, noch durch

die Erinnerung an die Popularität seines Rollenvorgängers irritieren, stellte optisch und stimmlich einen anderen Menschen auf die Bühne, einen Barbier, der in seiner männlichen Haltung und mit seiner dunklen Stimme schon den Figaro ein wenig vorwegnimmt. Ähnlich verhält es sich ja mit der Rosina von Malvina Major; staunen macht freilich, daß die spätere Gräfin Almaviva im Hause ihres Vormunds nicht eben den besten Gesangsunterricht genossen haben kann; die solide Leistung vom Vorjahr wurde heuer nicht ganz erreicht. Die Herren Corena, Alva und Mon-' tarsolo als weitere Protagonisten und Hans Kraemmer, der als stummer Diener auch einer des Humors ist. haben es verstanden, ihrem Standard zu halten. Das gleiche darf dem hochbegabten Dirigenten Claudio Abbado nachgerühmt werden, der

mit den Wiener Philharmonikern einen klassischen Crescendo-Rossini musiziert, wie ihn in solcher Vollendung nur südländische Kapellmeister wiederzugeben vermögen. Weniger angetan — fast möchte man zu sagen sich erlauben: nicht ohne etliche Anzeichen von Kränkung — verläßt der Festspielgast die Reprise der „Don-Giouanm“-Premiere des Vorjahres. Denn dunkel wie das Bühnenbild und dessen stilistische Orientierung bleibt der Sinn, bleibt die Absicht der Regie — ja, wüßte man nicht, Herbert von Karajan und Günther Schneider-Siemssen sind für die Szene verantwortlich, man wähnte schier, es hier mit einer bislang verschollenen Nestroy-Parodie des Mozart-Werkes zu tun zu haben. Zum Glück kann man sich am Dirigenten Karajan orientieren, mehr noch als bei der etwas hektisch musizierten Premiere im Vorjahr. Mit dem „Don Giovanni“ kommt der Maestro, dessen Bindung zu Mozart ansonsten wohl eher einer unglücklichen, unerwidert gebliebenen Neigung gleicht, durchaus zurecht. Besser als mit der Besetzung der Aufführung, die mit der Übertragung der Partie des Ottavio an Alfredo Kraus ihren Tiefpunkt erreicht. Daß der Giovanni von Nicolai Gjau-rov (dem Typ nach eher ein Almaviva, ein ländlicher Schürzenjäger) sein Gold bar und baritonal auszahlen würde, war zu erwarten. Etwas überraschend kamen leider sehr merkliche Stimmschwankungen bei der Elvira (Teresa Zylis-Gara), nicht unerwartet scharfe Spitzentöne der Anna (Gundula Janowitz). Der lust-

voll-zynische Leporello von Geraint Evans, die vis comica von Rolando Panerai als Masetto und Mirella Frenis in Erscheinung und Timbre völlig flgurdeckende Zerlina machten die Ebene der Bediensteten zum künstlerischen Hochland. Über einen hohlwandig singenden Komtur sei der Schleier der Anonymität gebreitet.

Mäßig Glück gab es auch bei der „FideIio“-Reprise. Die Szenerie mit Guckkastenausschnitten auf der Riesenbühne ist beethovenfeindlich, das Solistenensemble unausgeglichen, lngmar Wixell kann' nicht verheimlichen, daß er sich mit dem Pizarro plagt, Ingrid Bjoner, der neue Fidelio, besitzt Ausstrahlung, Intelligenz, Erfahrung, aber keine sonderlich persönlich gefärbte, zuverlässig funktionierende Stimme. James King als hervorragend gestaltender Florestan ist auch stimmlich der Beste im Ensemble, Franz Crass (Rocco), Edith Mathis (Marzelline), Tom Krause (Minister) und Donald Grobe (Jaquino) halten gutes Niveau. Karl Böhm am Pult der Philharmoniker hitzt einen erst allzu kammermusikalisch verfeinerten Beethoven von der „Dritten Leonore“ an zu dramatischer Glut auf.

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