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Der Geniestreich des Zwolfjahhrigen

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Auf der Bühne einige wenige Versatzstücke, jeweils dreiteilig angelegt und von Stephan Hlawa mit zarten Wasserfarben bemalt. Ein Tänzertrio, das bereits mit Hilfe des zweiten Teils der Ouvertüre die kommenden Verwicklungen der Opera buffa andeutet und sich dann immer wieder einschaltet, wenn den zwölfjährigen Mozart die Lust am Fabulieren mit dem Orchester allzu ausgedehnt überkam, kann mit ihnen im Handumdrehen die jeweilige Szene der drei Akte vor aller Augen aufbauen. Zwischen den Versatzstücken zahlreiche Auftritts- und Abgangsmöglichkeiten, die eine großteils junge Sängerschar mit Hilfe ihres Regisseurs Geza Rech mit Geschick nutzt. Unten im kleinen Orchesterraum des Salzburger Landestheaters: die Camerata academica des Mozarteums Salzburg, in der neben Professoren der Akademie junge, fortgeschrittene Studenten sitzen.

Wo soviel Jugend zusammenkommt, geht es lustig und turbulent zu, und wenn es auch da und dort an Erfahrung noch fehlte, so freute man sich darüber, daß junge Musiker unserer Tage dem jungen Mozart einen Dienst leisteten, der nichts weniger bedeutete als die Rettung einer zu Unrecht vergessenen Oper für die deutsche Bühne. „La Finta semplice“, wörtlich: Die verstellte Einfalt, als deren Librettist bis in unsere Tage ein Herr Marco Coltellini fungierte, ist als „Das schlaue Mädchen“ wiedererstanden.

Nicht Coltellini, sondern kein Geringerer als Carlo Goldoni ist der Schöpfer dieser venezianischen Komödie, eines echten dramma per musica, in dem die Gestalten der commedia dell-arte fröhlich Urständ feiern. Denn Bernhard Paumgartner, der auch die Bühneneinrichtung besorgte und überdies als Dirigent fungierte, hat nun die bühnenpraktische Konsequenz aus der bereits von Alfred Einstein festgestellten Tatsache gezogen, daß es sich hier um einen wortwörtlichen Goldoni handelt und Coltellini gerade so viel geändert hat — er schob lediglich einige Arientexte in den dritten Akt ein —, um •einen Namen mit dem Mozarts verbinden zu können. Paumgartner übersetzte das Stück Goldonis ins Deutsche, fast könnte man sagen ins Oesterreichische. Denn es steckt in dieser, wie man aus einem eben erschienenen doppelsprachigen Druck des dramma per musica entnehmen kann, peinlich genauen und doch wieder dichterisch freien Ueber-tragung viel Wiener und Salzburger Humor der Mozartzeit.

“ Dl* Musik Ist voller Wunder. Es gibt empfindsame Arien, erstaunliche, theatralisch wirkungsvolle Akzente in dem übrigens oft eigene Wege gehenden Orchester. Die „Rüpelszenen“ zu gestalten oder das Duell zwischen Fracasso, dem tenoralen Liebhaber, und Cassandro, dem Polterer ä la Pantalone, oder des letzteren Betrunkenheit, machte dem Zwölfjährigen hörbar Spaß. Solches kannte er wohl von Salzburg. Aber es fehlt den drei Akten, so schön ihre Einzelheiten und so gut auch die Finale gebaut sind, an der formalen Ausgeglichenheit, an der Zielstrebigkeit, an der rechten Verteilung der Schwerpunkte. Das ist schon an der Dauer der einzelnen Akte rein äußerlich zu erkennen, die immer kürzer werden. (Man tat in Salzburg daher gut daran, den zweiten und dritten Akt pausenlos zu verbinden, wenngleich auf diese Weise das zweite Finale als zu breites retardierendes Moment empfunden werden mußte.) Aber gerade diese musikalischen Schwierigkeiten erscheinen nun, da Goldoni uns in der ausgezeichneten Uebertragung Paumgartners so nahegerückt ist, großteils überwunden. Die Handlung tritt in den Vordergrund, ihre Details sind sprachlich schön nachempfunden, die Musik kann sich in den Arien durchaus behaupten, das Secco fließt munter dahin und die wenigen Accompagnati werden in ihrer meist drastischen Akzentuierung als willkommene Unterstreichung der Situationskomik empfunden.

Das Publikum bereitete den Sängern, unter denen naturgemäß die erfahrenen Bühnenkünstler wie Alois Pernerstorfer als Cassandro, Dorothea Siebert als Rosina und August Jaresch als Polidoro hervorragten, einen echt Salzburgischen Erfolg mit viel Blumen und Angebinden. Beifallsfreudig, wie es war, zeichnete es auch die jungen Salzburger Kräfte George Maran (Fracasso), Walter Raninger (Simone) und Karin Küster (Ninetta), in deren Kreis noch die Schweizerin Edith Oravez als Giacinta getreten war, aus.

Warum das 1. Orchesterkonzert als „Kammerkonzert“ proklamiert war? Die Werke, das kostbare Klavierkonzert in C (KV. 467) zumal und die „Linzer Symphonie“ (KV. 425). beanspruchten für ihre Wiedergabe das ganze Mozarteumorchester — und das ganze Können aller Musiker. Es wurde alles reichlich gegeben, reichlich und souverän, mit Leichtigkeit und Stilempfinden. Geza A n d a war innerhalb dieser gelöst musizierenden Schar der richtige Stilist mit der entsprechenden Leggerezza im Anschlag und der nötigen Delikatesse im Phrasieren und Akzentesetzen. Und Ernst M ä r-zendorfer, der dem Pianisten in vorbildlicher Präzision nicht von der Seite wich, musizierte anschließend die „Linzer“: fest und doch nicht grob im Zugriff, prägnant in der Darstellung des Inhalts, streng in der Wahrung der Form. Eine sehr intensive Interpretation, in der Mozarts Musik im ganzen Reichtum ihrer Ausdruckskontraste erblühte. — Kammermusikalisch war nur die Einleitung des Abends mit einer Wiedergabe der launigen S i n-fonia concertante (KV. 297b) für Oboe, Klarinette, Horn und Fagott, in den Solopartien von den Herren Lardot, Oesterreicher, Klepac und Lindner mustergültig geblasen. Auch hier klanglich fein abgestuft der korrespondierende Orchesterpart.

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