Dämonen - burgtheater - szene - © Foto: Matthias Horn

Dostojewskis „Dämonen“: Familienaufstellung de luxe

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Es ist ein kompliziertes Beziehungsgeflecht, das sich in Dostojewskis Roman über Gott, die Welt, Nationalismus, Sozialismus und Kapitalismus zu einem gesellschaftlichen Mikrokosmos verdichtet.

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Es ist ein kompliziertes Beziehungsgeflecht, das sich in Dostojewskis Roman über Gott, die Welt, Nationalismus, Sozialismus und Kapitalismus zu einem gesellschaftlichen Mikrokosmos verdichtet.

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Ein bekanntes Zitat Fjodor. M. Dostojewskis lautet: „Um die Welt zu ändern, sie neu zu gestalten, müssen zuvor die Menschen sich selbst umstellen.“ Für die Theateradaption der „Dämonen“ hat Regisseur Johan Simons diese Zeilen des russischen Literaten wörtlich genommen. In einer vierstündigen Mega-Therapiesitzung stellt Simons das Staraufgebot des Burgtheaters fortwährend neu auf, um und ab. Im Mittelpunkt der Familienaufstellung de luxe steht Nicholas Ofczarek als Nikolaj. Für den frischzurückgekehrten Lebemann muss Maria Happel als seine Mutter allerlei Vorbereitungen treffen, schließlich soll der Hochzeit mit der vermögenden Lisa (Birgit Minichmayr) nichts im Wege stehen. Ein aussichtsloses Unterfangen wie sich schnell zeigt. Denn Nikolaj hat nicht nur die Ziehtochter seiner Mutter, Dascha (Dagna Litzenberger Vinet), verführt, sondern aus einer Laune heraus auch heimlich Marja (Sarah Viktoria Frick), die Schwester des Ex-Hauptmannes Ignat (Marcel Heuperman), geehelicht. Abseits der amourösen Verstrickungen stehen die Zeichen ebenfalls auf Sturm. Der skrupellose Spindoktor Pjotr (Jan Bülow) schmiedet mit seinen Anhängern aufrührerische Pläne, denen Morde, Selbstmorde und Brandanschläge folgen werden. Es ist ein kompliziertes Beziehungsgeflecht, das sich in Dostojewskis Roman über Gott, die Welt, Nationalismus, Sozialismus und Kapitalismus zu einem gesellschaftlichen Mikrokosmos verdichtet. Simons zeigt diesen Kosmos als goldenes Gefängnis, dessen türlose Wände mit schimmernden Platten ausgekleidet sind, darin stehen Tische, Stühle und natürlich der obligatorische Samowar herum. Auf- und Abgänge finden über eine Öffnung im Boden statt, aus dem immer wieder die Köpfe der Schauspieler hervorlugen. Während man sich vorne unterhält, bleibt das übrige Ensemble (meist regungslos) im Raum verteilt. Nur zwischen den Szenen versetzen starke Soundeffekte der japanischen Klangkünstlerin Mieko Suzuki alle in Bewegung, tänzelnd wird dann im Halbdunkeln sowohl Möblage als auch Figurenkonstellation umgruppiert. Die Männer schwätzen, philosophieren und intrigieren, die Frauen dürfen für komödiantische Einlagen sorgen. Frick als geheime Braut mit Schleier und Turnhose trippelt mit grotesken Verrenkungen über die Bühne, Minichmayr gibt mit Reitgerte in der Hand augenzwinkernd die schrille Domina. Nur eine Szene sticht heraus, alleine auf der Bühne offenbart Nikolaj sein dunkelstes Geheimnis, den Missbrauch eines jungen Mädchens. Präzise und eindringlich schildert Ofczarek die Tat und seine Folgen. Simons tischt ganz schön schwere Kost auf und schon vor der Pause beginnen sich die Publikumsreihen zu lichten. Es ist eine konzeptuell anspruchsvolle Inszenierung, die sich im Laufe des Abends immer mehr in endlose Reden, vielsagende Gesten und verklausulierte Andeutungen verheddert.

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