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Ein amerikanischer Schwejk

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Eine europäische Erstaufführung in der Jose f-Itadt: ,,No Time for Sergeants“, „Wer will unter di Soldaten?“, nach einem Roman dramatisiert von Ira Levin, wurde von Oscar Karlweis übersetzt. Der unvergessene Wiener Schauspieler hat dieses Stück wohl für sich selbst übertragen; wir alle hätten ihn gerne in der Hauptrolle gesehen, di ihm wie auf den Leib geschrieben ist. Nun bemüht sich mit Erfolg Heinz Conrads um diese Gestalt. Conrads hat vor kurzem den braven Soldaten Schwejk in Wien gespielt, so war es naheliegend, ihm diesen amerikanischen Schwejk anzuvertrauen. Hier geraten wir nun freilich ins Stocken. Dem amerikanischen Schwejk fehlt ganz der große tragische Hintergrund und das eminent Politische des Schwejk, der ja nur verständlich ist als ein Versuch, die Auseinandersetzung des Tschechenvolkes und eines Volkes „kleiner Leute“ mit einer Herrenschicht anderen Geblüts in der Form der Travestie, der Tragikomödie und Komödie darzustellen. Der eigentümlichen Hintergründigkeit und Schärfe des Schwejk gegenüber stellt sich unser Farmerssohn aus Louisiana als ein harmloser, lieber guter Junge dar. Ein Prachtkerl mit starken Fäusten und einem starken unverbildeten Herzen; und einem sorgfältig unterstrichenen Patriotismus, der durch nichts Fremdes angekränkelt ist. Mag die Luftwaffe, die Air Force, mag der ganze Kommiß aus Kalfaktern, Narren, Bürokraten und etwas senilen Generalen bestehen, an den Fundamenten wird nicht gerüttelt, an sie wird (im ganzen Stück) nicht gedacht. Ja, um alle Zweifel an einer „subversiven Tendenz“ auszumerzen: unser hochstämmiger Schwejk aus Louisiana will von der Luftwaffe zur Infanterie versetzt werden, da dort allein die echten Soldaten sind, wie sein einziger Freund ihm versichert. — Es sind also vom Autor her alle Sicherungen eingebaut, um das Stück vor einem Abgleiten in größere und ernstere Themen zu bewahren. Ein kleiner Kunstgriff hätte das ermöglicht — er wird nicht selten von amerikanischen '.imatikern und Dichtern verwendet, um ihrem Tb Tiefgang und Tragik zu mittein. Dieser Kunstgriff hätte darin bestanden, unseren bärbeißig-tolpatschigen Rekruten, der von fast allen Kameraden und Vorgesetzten nicht gerade freundlich behandelt wird, nicht als Eingeborenen, sondern als Angehörigen einer von der Mehrheit kritisch besehenen Minderheit zuinkarnieren. Als Neger, Juden, kurz zuvor Immigrierten; als Armenier, Italiener, Polen usw. Dann aber wäre eine Tragödie, ein Drama entstanden. Im Rahmen der vorgestellten Komödie bleibt uns Stoff zum Lachen genug. Die Josefstadt hat sich, in Ausstattung (man staunt, was auf dieser „kleinen Bühne alles unterzubringen ist, vom Riesenbomber bis zum Atom-Gefechtsstand) und Besetzung sehr bemüht, das Stück als eine gemütvolle Burleske herauszubringen. Als einen Schwank vom „guten Soldaten“, der nicht anderes war als ein guter Kerl mit einer tüchtigen Portion Bauernschlauheit; der es sehr geschickt versteht, die Lacher auf seiner Seite zu haben; wenn nicht in der Armee, so doch beim Publikum.

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