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Eine Woche mit neuer Musik

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Zum zweitenmal seit 1945 kam Ernst Krenek, Jahrgang 1900, in seine Heimatstadt hielt Vorträge, gab Radiointerviews und bracht eine Reihe neuer Werke mit, die er — im Mozart- Saal des Konzerthauses und im großen Sendesaal der Ravag — selbst dirigierte. Bekanntlich bedieni sich Krenek seit seiner großen Oper „Karl V.". also seit etwa 20 Jahren, der Zwölftontechnik, und in dieser sind auch die für Wien neuen Werk geschrieben, welche der Komponist vorführte:

sein zweites Klavierkonzert (mit dem Stuttgarter

Arno Erfurth als Solisten), die „Brasilianische Sinfonietta", die „Symphonische Elegie in memo- riam Anton von Webern", ein Harfenkonzert, das von der Schweizerin Emmy Hürlimann gespielt wurde und die Symphonie „Pallas Athene". Die genannten Kompositionen stammen aus den Jahren 1937 bis 1954 und stellen nur einen kleinen Ausschnitt aus dem Gesamtopus von Krenek dar, der gegenwärtig etwa bei der Werkzahl 130 hält. Gestehen wir, daß es Krenek seinen Hörern nicht leicht lhacht, und zwar nicht etwa durch Zurück- drängen des Emotionellen zugunsten der Technik, sondern durch die ungewöhnliche Dichte seiner Faktur und die Kompliziertheit der rhythmischen ‘Struktur, die ihrerseits freilich auch eine Verfeinerung des Ausdrucks bedingt, für welche sowohl die klassische als auch die romantische Musik keine genügende „Vorschule" darstellt. So kommt es, daß beim ersten Hören die langsamen Sätze mehr ansprechen, in denen man spürt, daß der Komponist wirklich etwas zu „sagen" hat, etwa in der „Elegie" und im langsamen Satz des Klavierkonzerts. In der aus einer neuen Oper zusammengestellten Symphonie „Pallas Athene" bedient man sich gern des hilfreichen „Programms" dieser Musik und hört,’ mit den im Olymp versammelten Schatten der Verstorbenen, den „ungeheuren Klagelaut" der Pallas Athene, die um das Ende ihrer Stadt weint, in der die Freiheit wohnte und die dem Despotismus Spartas und seines Regenten Agis zum Opfer fällt. (Dies ist der Gegenstand der neuen großen Oper „Pallas Athene weiht", an der Krenek gegenwärtig arbeitet.) An die Spitze seiner zwölf Bühnenwerke stellt der Komponist — wie er in einem Gespräch kundtat — immer noch seine vor rund zwanzig Jahren für die Wiener Staatsoper geschriebene Oper „Karl V.". die er vor kurzem, stark gekürzt und auf die wesentlichen Handlungsmomente konzentriert, für eine Aufführung geeigneter gemacht hat.

Im zweiten Philharmonischen Abonnementkonzert dirigierte Karl Böhm zwischen Mozarts Symphonie- in C-dur und der Ersten von Brahms die „Chroniqut symphonique” von Theodor Berger, eine Neufassung der „Ballade" von 1940. Das ein- sätzige, an dieser Stelle bereits besprochene Werk, „tönendes Gleichnis des Zeitgeistes, Niederschlag des Tätigkeitslärmes", erlebte eine mustergültige, sehr eindrucksvolle Wiedergabe.

Die Oper „Penelope" von Heinrich Strobel und Rolf Liebermann, die anläßlich ihrer Uraufführung bei den heurigen Salzburger Festspielen an dieser Stelle ausführlich angezeigt und besprochen wurde („Die Furche" Nr. 32 und Nr. 35), ist nun auch ins Theater an der Wien eingezogen. Notieren wir daher nur einige Umbesetzungen gegenüber der Salzburger Aufführung sowie den Gesamteindruck. Den Telemachos sang Ruthilde Boesch, den Odysseus Oskar Czerwenka; als Leistung besonderer Art sei Christi Goltz in der Doppelrolle der antiken und der modernen Penelope hervorgehoben; am Pult stand Michael Gielen. Trotz einiger Grobheiten und Schwächen, trotz der nicht ganz geglückten Einkleidung des brutal-veristischen Sujets in das eklektische Gewand der Semiseria ist diese „Penelope" ein interessanter Beitrag zum zeitgenössischen Musiktheater und zeigt einen der Wege, die zur Erneuerung des musealen Opernspielplans führen können.

Dem Dvofak-Schüler und Kapellmeister der Böhmischen Philharmonie, Oskar Nedbal, geriet seine bereits 1913 geschriebene Operette „Pole n- b 1 u t” mehr böhmisch als polnisch. Das volkstümlich-pikante und dezent unterhaltende Werk wurde in der Volksoper durch Heinz Haberland genau so, wie wir es charakterisierten, inszeniert. — Wilhelm Schönherr dirigierte fast kammermusikalisch und war sehr genau, Dorothea Siebert agierte anmutig-lebhaft und beherrschte ihren Part mit Virtuosität. Franz Höbling, Rudolf Christ, Franz Böheim und Sonja Mottl bildeten ein Ensemble, dem man — ebenso wie den freundlichen Bühnenbildern von Walter Hoesslin und den folkloristisch-bunten Kostümen von Reny Löhner — nur einen intimeren Rahmen wünschte.

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