Es brodelt in der lieben Familie
Eine neue Deutung des „Iphigenie"-Stoffes im Rahmen der Salzburger Festspiele: Autorin Joanna Bednarczyk holt den Mythos in die Gegenwart, aus einer Geschichte von Staatsräson und Krieg wird die einer zerrütteten Familie.
Eine neue Deutung des „Iphigenie"-Stoffes im Rahmen der Salzburger Festspiele: Autorin Joanna Bednarczyk holt den Mythos in die Gegenwart, aus einer Geschichte von Staatsräson und Krieg wird die einer zerrütteten Familie.
Im Namen der Ehre geschehen Verbrechen. Das gilt im Falle der Mafia ebenso wie in jenem der Familie. Der Begriff Familienehre schließt so viel Unausgesprochenes ein, weil man lieber riskiert, dass ein Kind traumatisiert in die Zukunft geht, als dass ein Verwandter als Täter gebrandmarkt wird. Das Leid betrifft einen Einzelnen, das Bekenntnis der Schuld die ganze Familie, so sieht die Rechnung der Clan-Vernunft aus. Das ist nicht zwingend logisch, aber was hat Logik dort verloren, wo Trieben zugestanden wird, die Oberhand zu gewinnen. Und weil das Tradition hat und immer schon so war, ist die Dynamik der Vernichtung von inneren Leben nicht aufhaltbar. Die Klassiker wussten davon ein Lied zu singen, machten aber keine große Sache daraus. Joanna Bednarczyk las Euripides und Goethe, die sich beide am Iphigenie-Stoff abgearbeitet haben, neu und machte gerade das, was bei ihnen locker weggesteckt wird, zum eigentlichen Thema. Doch – es ist sinnvoll, die großen Dramen neu zu deuten und mit dem Blick von heute das nur beiläufig Verhandelte zu bewerten. Dann kommt etwas heraus wie das Stück „Iphigenia“, das in Koproduktion mit dem Thalia Theater Hamburg im Rahmen der Salzburger Festspiele auf der Perner-Insel in Hallein zur Uraufführung gebracht wurde.
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