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„Essex und Elisabeth“ in Graz

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Vor genau 200 Jahren schrieb Lessing in neun Stücken seiner Ham- burgischen Dramaturgie mit bedächtiger Ausführlichkeit den Inhalt eines spanischen Dramas nieder, das jetzt — über 300 Jahre nach seiner Entstehung — seine deutschsprachige Erstaufführung in Graz erlebte. Es heißt „Da la vida por su Dama“ und stammt von Antonio Coello, einem Zeitgenossen Calderons. Das Werk, das man lange Zeit Philipp IV. zugeschrieben hatte, ist das erste Essex- Drama der Weltliteratur. Der Grazer Hispanologe Prof. Anton M. Rothbauer, dem die neue deutsche Cervantes-Ausgabe und die deutsche Form der Calderön-Urauf- führung bei den Wiener Festwochen 1966 („Die Welt ist Trug“) zu danken sind, hat auch dieses Stück der Vergessenheit entrissen und es für die Grazer Bühnen übersetzt. In dieser prächtig klingenden, trotz vieler manieristischer Metaphern auch dem Menschen von heute zugänglichen,

ja ihn berührenden deutschen Version präsentiert sich das klug und übersichtlich gebaute Drama als lebendiges, erstaunlich frisches, gar nicht museal wirkendes Dokument aus einer der großen Epochen europäischer Theatergeschichte. „Essex und Elisabeth", diese Geschichte des englischen Grafen und seiner spannungsreichen Beziehung zur Königin, findet hier ihre durchaus imponierende Formung im Stil des vorillusionistischen Theaters, der sich besonders in den zahlreichen, ja halbe Szenen füllenden Apartes äußert. Rudolf Kautek inszenierte das Werk als Spiel im Spiel, ließ es in einer Art Corral-Theater abrollen, dessen Ränge von Zuschauern bevölkert sind und in dem zwischen den Akten ein Flamencotänzer sich zu Gitarreklängen produziert. Das gelang auch ziemlich hübsch — bis auf den Einwand, daß diese neue Verfremdung doch ein wenig krampfhaft wirkte. (In den Hauptrollen: Anneliese Stöckl und Louis Ries.)

Ganz andere Töne schlug eine Komödie der Französin Pierette Bruno mit dem Titel „Pepsie" an, die ebenfalls als österreichische Erstaufführung im Grazer Schauspielhaus gegeben wurde. Die aus dem Midi stammende Pariser Schauspielerin hatte vor ein paar Jahren Publikum und Kritik längere Zeit hindurch an der Nase herumgeführt, indem sie als Verfasser ihres ersten Stückes einen Herren namens Pierre- Edmond Victor ausgab. Als der Kollege, der diesen „Autor“ spielen sollte, nicht mehr mittat, blieb der jungen Pierette Bruno nichts anderes übrig, als die Maskerade einzugestehen. Zu diesem Zeitpunkt war der Erfolg ihres Erstlings aber auch schon entschieden. In der Tat ist „Pepsie“ ein liebenswertes, humori- ges Lustspiel mit einigen glänzenden Bonmots und einer allerdings weniger glänzenden Moral. Aber die Erlebnisse des Animiermädchens Pepsie mit dem guten Herzen werden so charmant geschildert, daß man auf manche Einwände vergißt — dies nicht zuletzt auch wegen der hervorragenden Darstellung durch die Schauspielerin Gerti Pall.

Die Grazer Oper brachte einen neuen „Don Giovanni" heraus, der seine musikalische Qualität vor allem dem Dirigenten Berislav Klo- buiar und den Sängern Hans Helm und Jacqueline van Quaille verdankt. Die Inszenierung Karlheinz Haberlands litt zum Teil darunter, daß im stilisierten Milieu realistisches Theater gespielt wurde. Verdis „Ein Maskenball" vermittelte die Bekanntschaft mit Edgar Seipen- busch, einem jungen, sehr temperamentvollen neuen Opernkapellmeister, der Dynamik und Tempo sehr wohl mit Präzision zu verbinden weiß. Das war aber auch das Beste an dieser Neeuinszenierung, denn die stimmlichen Leistungen blieben diesmal einigermaßen hinter den Erwartungen zurück.

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