König Karotte - © Foto:  Barbara Pálffy / Volksoper Wien

Gescheitert und gewitzt

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Vorweihnachtliche Raritätenschau: Spontinis „La Vestale“ in einer verkopften Inszenierung am Theater an der Wien, Offenbachs „König Karotte“ höchst unterhaltsam an der Volksoper.

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Vorweihnachtliche Raritätenschau: Spontinis „La Vestale“ in einer verkopften Inszenierung am Theater an der Wien, Offenbachs „König Karotte“ höchst unterhaltsam an der Volksoper.

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Für Beethoven war Gaspare Spontini der bedeutendste Komponist seiner Zeit. Die Nachwelt teilte diese Einschätzung bislang nicht. Der Italiener in Frankreich, wie man den Komponisten auf Grund seines Lebenslaufes nennen könnte, ist heute weitgehend vergessen, am ehesten noch durch seine Oper „La Vestale“ einem breiteren Publikum präsent, vor allem durch zahlreiche prominent besetzte Aufführungen an der Mailänder Scala. Im Dezember 1993 eröffnete ihr damaliger Musik­direktor Riccardo Muti, gegenwärtig einer der wenigen Dirigenten, die sich für Spontini einsetzen, damit die neue Saison, was auch in einer exzellenten Einspielung dokumentiert ist.

Wenigstens einen Hauch von dem seinerzeit dort zu erlebenden Glanz hätte man sich für die Aufführung dieser Tragédie lyrique am Theater an der Wien gewünscht. Im Programmheft kann man in einem kundigen Essay lesen, dass es sich bei diesem im Priesterinnenmilieu spielenden Dreiakter um ein verkanntes Meisterwerk handelt. Um das deutlich zu machen, muss man aber über die entsprechenden Interpreten dieses wesentlich vom Orchester getragenen Werks verfügen. Mit einer möglichst exakten Ablieferung von Noten, wie es die Wiener Symphoniker unter ihrem einstigen Chefdirigenten Bertrand de Billy vorzeigten, ist es nicht getan. Es geht um die Übermittlung des charakteristischen Geistes dieser Musik, die einen Wendepunkt in der europäischen Operngeschichte markiert, immerhin die Brücke von Gluck zu Berlioz schlägt.

Zudem hätte es rollendeckender Sängerdarsteller bedurft, so sehr sich Michael Spyres um einen entsprechenden Licinius, die durchschlagskräftige Claudia Mahnke um eine profilierte La Grande Vestale bemühten. Elza van den Heever, die Interpretin der Julia, um deren Scheitern am Keuschheitsgelübde sich hier alles dreht, hatte mit den vokalen Anforderungen ihrer Rolle wie den Wünschen der Regie zu kämpfen. Und die lag daneben. Sie deutet Julia als Marienfigur. Bei La Grande Vestale gewinnt man das Gefühl, man befinde sich im Prostituiertenmilieu. Der von Franz-Josef Selig – die überzeugendste Besetzung – gemimte Le Souverain Pontife erscheint als Karikatur eines hohen Geistlichen, der in dieser Art gewiss besser in einer Seifenoper aufgehoben gewesen wäre. Vornehm ausgedrückt könnte man die Inszenierung von Johannes Erath in der mit einer Vielfalt unpassender Requisiten bestückten Bühnenausstattung von Katrin Connan als verkopft bezeichnen. Treffender als ein Scheitern an der Größe und der Idee dieses Schlüsselwerks europäischer Opernhistorie.

Kurzweilig und gut gelaunt

Schon erstaunlich, dass in diesem Offenbach-Jahr hierzulande so wenig von seinem reichhaltigen Opernschaffen zu sehen war. Immerhin, die Volksoper Wien versucht es mit einem weniger populären Werk – „König Karotte“, in einer Koproduktion mit der Staatsoper Hannover. Ein Vierakter nach einem Libretto von Offenbachs Freund Victorien Sardou, der später das Textbuch für Puccinis „Tosca“ schuf.

Musikalisch unterschiedlich qualitätvoll, nimmt diese zweieinhalbstündige Opéra-bouffe-féerie die damaligen politischen Verhältnisse in Frankreich mit feinem Sarkasmus aufs Korn, am deutlichsten durch den hier als unfähigen Kronprinz Fridolin XXIV. karikierten Napoleon III. Aber auch seine sich in Opportunismus wiegenden, mit Unfähigkeit brillierenden, sich in lächerlicher Eitelkeit aalenden Hofschranzen bekommen in dieser sich durch zahlreiche Handlungsstränge windenden Geschichte einiges ab.

Matthias Davids’ Inszenierung, begleitet von den beredten, flexiblen Bühnenbildern Mathias Fischer-Dieskaus, die es ermöglichen, in Sekundenschnelle von einem zum nächsten Schauplatz zu wechseln, versteht diese Szenerie mit viel Witz nachzustellen. Zuweilen hätte dabei etwas französischer Charme nicht geschadet. Jedenfalls lässt Davids mit seiner Erzählart, in der König Karotte (Sung-Keun Park) mit einer Gemüse-Kauderwelsch-Sprache überraschen darf, Prinzessin Kunigunde (Julia Koci) als übersteigertes Pop-Girl auftritt, nie Langeweile aufkommen. Für gute Laune sorgte auch der mit dem Orchester sorgfältig die Partitur realisierende Guido Mancusi, der den Sängern – hervorstechend Mirko Roschkowskis Fridolin, Amira Elmadfas quirliger Robin und Johanna Arrouas bagschierliche Rosée-du-Soir, die schließlich den Prinzen für sich gewinnen und auf den kurzfristig von der Gemüse-Partie eroberten Herrscher-Thron zurückbringen kann – auch einen eleganten Teppich legte.

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