Geschlossene Gesellschaft - © Foto: Matthias Horn

"Geschlossene Gesellschaft": Sartres Paradestück

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Infernalisches Gruppendynamik-Seminar: Gefangen in der Unendlichkeit: Regina Fritsch, Tobias Moretti und Dörte Lyssewski in „Geschlossene Gesellschaft“.

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Infernalisches Gruppendynamik-Seminar: Gefangen in der Unendlichkeit: Regina Fritsch, Tobias Moretti und Dörte Lyssewski in „Geschlossene Gesellschaft“.

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Die Pandemie bringt versunkene Klassiker zurück auf die Bühne. Stücke von Ionesco, Beckett, Camus und Sartre sind wieder gefragt, vielleicht weil durch die Konfluenz von absurdem Theater und Philosophie das Wesen der Krise am besten zu beschreiben ist. Jetzt hat Martin Kušej einen weiteren Kommentar zur aktuellen Situation mit der Inszenierung von Jean-Paul Sartres Paradestück „Geschlossene Gesellschaft“ auf die Bühne gebracht.

Der Einakter über drei Menschen, gefangen in der Unendlichkeit, wurde bereits 1944 während der nationalsozialistischen Okkupationszeit in Paris uraufgeführt. Sartres bekanntestes Zitat „Die Hölle, das sind die anderen“ stammt daraus – womit auch gleich Leitgedanke und Kernaussage des Stücks in einem Satz zusammenfasst sind. Kušej macht daraus eine eindringliche Höllenfahrt der Gefühle und setzt dabei ganz auf die Kraft des hochkarätigen Startrios Tobias Moretti, Dörte Lyssewski und Regina Fritsch sowie auf eine prominent in Szene gesetzte Essiggurkerl-Skulptur von Erwin Wurm.

Am Burgtheater ist die Hölle ein fast leerer Betonbunker mit Kies und Schotter am Boden, der sich bis in die erste Reihe des Zuschauerraums fortsetzt. Moretti darf hier als Erster einchecken. Er wird von einem jovial-despotischen Diener (Christoph Luser) in die Gepflogenheiten des Hauses eingewiesen. Nur auf die Frage nach Sinn und Zweck der überdimensionalen Gurkenstatue mitten auf der Bühne bleibt er die Antwort schuldig. Gleich danach stoßen Lyssewski als Postangestellte Inès und Fritsch als reiche Schwerenöterin Estelle zu diesem exklusiven Gruppendynamik-Seminar.

Es wird auch sogleich mit der Interaktion begonnen, und die mannigfaltigen Gründe für den Abstieg in die Hölle analysiert, schließlich sind alle drei mit einem reich gefüllten Koffer an moralischen Verfehlungen undDie Pandemie bringt versunkene Klassiker zurück auf die Bühne. Stücke von Ionesco, Beckett, Camus und Sartre sind wieder gefragt, vielleicht weil durch die Konfluenz von absurdem Theater und Philosophie das Wesen der Krise am besten zu beschreiben ist. Jetzt hat Martin Kušej einen weiteren Kommentar zur aktuellen Situation mit der Inszenierung von Jean-Paul Sartres Paradestück „Geschlossene Gesellschaft“ auf die Bühne gebracht. Der Einakter über drei Menschen, gefangen in der Unendlichkeit, wurde bereits 1944 während der nationalsozialistischen Okkupationszeit in Paris uraufgeführt.

Sartres bekanntestes Zitat „Die Hölle, das sind die anderen“ stammt daraus – womit auch gleich Leitgedanke und Kernaussage des Stücks in einem Satz zusammenfasst sind. Kušej macht daraus eine eindringliche Höllenfahrt der Gefühle und setzt dabei ganz auf die Kraftungesühnter Schulden angereist. Für Reue bleibt aber keine Zeit, stattdessen macht sich die illustre Runde das Post-mortem-Dasein so schwer wie möglich. Es wird gedroht, geschlagen und umeinander gebuhlt was dasZeug hält. Den körperlichen Attacken und lautstarken Wortgefechten folgen lange Momente der Stille, bis man sich schlussendlich resignierend eingestehen muss, dass aus dieser Hölle tatsächlich kein Entkommen ist.

Während Tobias Moretti seine Rolle als toter Journalist und Haustyrann Joseph so kontrolliert wie kraftvoll anlegt, gibt Regina Fritsch eine zerbrechliche und starrköpfige Dame von Welt, Dörte Lyssewskis starkes Bühnenspiel wiederum ist an passiv-aggressivem Understatement kaum zu überbieten. Im hell erleuchteten Theatersaal spielen die drei großteils vor der Rampe und im Parkett, das macht ihr eindringliches Schauspiel noch intimer. Dazwischen unterbricht Luser die Szenen, um den Neo-Hölleninsassen ihre ausweglose Situation mit viel lakonisch-komischem Charme vor Augen zu führen. Das Publikum nimmt seine Interventionen dankbar an, bringen sie doch ein wenig Schwung in die streckenweise doch recht eintönige Aufführung. Insgesamt ein so langatmiger wie beeindruckender Theaterabend.

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