6595470-1953_03_11.jpg
Digital In Arbeit

„Gott und seine Kirche auf der Bühne“

Werbung
Werbung
Werbung

Paris, im Jänner Unter dem Motto: „Gott und seine Kirche tf-icheinen auf der Bühne“ hat vor kurzem eine führende französische Tageszeitung eine ausführliche Umfrage bei Autoren, Schauspielern, Theaterleitern und Kritikern dem Phänomen des Ueber-handnehmens von Stücken religiösen Inhaltes auf dem Spielplan der Pariser Bühnen gewidmet. Ohne voreilige Schlüsse ziehen zu wollen, kann man wohl sagen, daß es kein Zufall ist, wenn heutzutage das Problemtheater, das an transzendentale Fragen rührt, beim Publikum viel stärkeres Echo findet als beispielsweise in der relativ sorglosen Zeit zwischen den beiden Weltkriegen. In Louis Jouvets Athenee-Theater hat das „Heilige Experiment“ von Fritz Hochwälder, das hier unter dem Titel „Sur la Terre comme au Ciel“ gespielt wird, schon etwa 240 Aufführungen erreicht und das Interesse an diesem allerdings ausgezeichnet interpretierten historischen Jesuitenstück ist noch längst nicht erlahmt. Sein Hauptdarsteller, Victor Francen, soll es, wenn es in Paris abgespielt sein wird, bei Margaret Webster am Broadway kreieren, was aber wohl kaum vor Mai oder Juni der Fall sein kann.

- Auch Bernanos' „Begnadete Angst“ (Die Dialöge der Karmeliterinnen) steht schon seit dem letzten Vorsommer auf dem Spielplan de» Hebertot-Theaters, wo demnächst ein neue religiöse» Drama von Gabriel Marcel „Da» Zeichen de Kreuze»“ einstudiert werden wird. In Frankreich sind bekanntlich nach Kriegsschluß eine Reihe von dramatischen Provinzzentren entstanden, die ihrerseits befruchtend auf da» Theaterleben der Hauptstadt zurückwirken. So ist Ende Dezember da» „Dramatische Zentrum de» Ostens“ au» dem Elsaß für einen Monat nach Pari» gekommen, um hier die Bühnenfassung von Graham Greene» Roman „Die Macht und die Herrlichkeit“ zu spielen, ein Versuch, der schon deshalb besondere Beachtung verdient, weil das Stück ursprünglich von Jouvet aufgeführt werden sollte, der bei der sechsten Probe gestorben war. Seither hatte e» niemand mehr gewagt, »ich ohne den großen Interpreten und Regisseur an den Stoff heranzuwagen. Die Dramatisierung war von Pierre Quet und Pierre Darbon vorgenommen worden, darnach hat auf Wunsch von Jouvet »ein Freund Clouzot eine nochmalige Bearbeitung unternommen, und »chließlich hat Pierre Bost dem Stück, das sich eng an den Roman anlehnt, die endgültige Prägung gegeben. Graham Greene wird nach der französischen Bühnenfassung selbst die Ueber-tragung ins Englische vornehmen, da „Die Macht und die Herrlichkeit“ in Bälde auch in England auf den Spielplan kommen wird. Inzwischen bereitet Jean Mercure, der das „Heilige Experi-.. ment“ inszeniert hat, Graham Greenes erste» eigene» Theaterstück „The iivingroom“ für die französische Bühne vor.

Jean Vilar hat in seinem Nationalen Volkstheater eine Neuinszenierung von T. S. Eliot» „Der Mord im Dom“ gebracht, nachdem er diese» dramatische Gedicht um den Mord des Bischof Thomas Becke« schon vor sieben Jahren im kleinen Vieux-Colombier-Theater für Frankreich erstaufgeführt hatte. Man hätte von der damaligen Kreation wohl einen intensiveren Eindruck behalten al von der jetzigen Reprise im immensen Saal de» Chaillot-Theaters, was «Icher nur auf den zu großen Raum zurückzuführen ist, nicht aber auf die Interpreten, unter denen vor allem Viiar dem Erzbischof «tärkites Relief gibt. Um diesen Raum zu bezwingen und das Publikum stärker mit der Bühne zu verbinden, hat Gerard Philipe in der ersten Uraufführung dieser Saison durch da Th^atre National Poj/ulaire, der „Neuen Mandragore“ von Vauthier einer Komödie nach Ma-chiavell), deren Regie der Schauspieler aelbst besorgt hat, auf dem Plateau rechts und links von der Spielfläche Plätze für die Zuschauer installieren lassen. Aber diese „Neue Mandragore“ des jungen Autor» de „Kapitän Bada“, der im vergangenen Jahre Aufsehen erregt hatte, erwie sich als mittelmäßig, um nicht zu sagen alt Mißerfolg. Der bissige Kritiker des „Figaro“ ging sogar »o weit, von vier unerschöpflich leeren Akten zu »prechen, die an das Publikum die stärkste Geduldsprobe stellen, die Vilar ihnen bisher auferlegt hat. Mit seinen französischen Avantgardisten hat Vilar offensichtlich wenig Glück — man denke nur an „Nuclea“ von Pichette in der vergangenen Spielzeit. Wäre nicht da» ausgezeichnete Ensemble mit Gerard Philipe, Jeanne Moreau und Daniel Sorano, einem trukulenten Komiker, den Vilar sich vom Toulouser Speicher-Theater geholt hat, so würde diese „Neue Mandragore“ wohl »chnell ihre Anziehungskraft verlieren.

Wir haben in den letzten Wochen in Pari auch zwei Aufführungen von Stücken moderner deutscher Autoren gesehen. Im Humor-Theater, wo Hermantier vor einem Jahre die „Maria Stuart“ aufführte, mit der er jetzt nach Marokko zieht und wo er demnächst Goethes „Egmont“ inszenieren wird, spielte eine leider »ehr unzureichende Truppe unter Leitung von George» Visconti erstmalig in Frankreich Wolfgang Bordiert» „Draußen vor der Tür“. Bei einem Theaterwettbewerb, den die „Freunde der Freiheit“ für da» beste Stück, da den Begriff der Freiheit gegenüber der totalitären Welt zum Ausdruck bringt, veranstaltet haben, wurde die von Emile Favre stammende Bühnenbearbeitung des von Jacques Nobecourt übersetzten Romans von Walter Jen» „Nein — die Welt der Angeklagten“ in der Inszenierung von Yves Brainville prei»-gekrönt. E» ist zu' erwarten, daß das Stück nach »einer einmaligen Aufführung im Ambigu-Theater bald In da» Repertoire einer Pariser Bühne aufgenommen wird, denn die Kritik ist sich über «eine hervorragenden Qualitäten einig.

Unter der leichteren Ko»t, die neuerdings von den Pariser Theatern geboten wird, ist vor allem Andre Roustin» und Madeleine Gray amüsant-satirische Komödie um die tragische Ge»chicht« der Atriden „Helena oder die Lebensfreude“ nach dem Roman von John Erskine zu nennen, die vor Weihnachten im Madeleine-Theater uraufgeführt wurde und wohl zu einem Welterfolg werden dürfte.

Schließlich »ei noch angekündigt, daß die

Truppe von Jean-Loui» Barrault und Madeleine Renaud, die »ich auf einer großen Auslandstourne« befindet und zuletzt in New York «pielte, infolge der Annullierung ihre» Engagement» durch die ägyptische Regierung voraussichtlich in Kürze die Zeit zu ihrem ersten Deutschlandgastspiel finden wird.

Ein Thema. Viele Standpunkte. Im FURCHE-Navigator weiterlesen.

FURCHE-Navigator Vorschau
Werbung
Werbung
Werbung