Gute Gefühle, schlechte Gefühle
Die Salzburger Festspiele stellen die Frage nach skandalträchtigen Ereignissen in einer neuen Version von Schnitzlers „Reigen“ und zeigen soziale Kämpfe in Marieluise Fleißers „Ingolstadt“.
Die Salzburger Festspiele stellen die Frage nach skandalträchtigen Ereignissen in einer neuen Version von Schnitzlers „Reigen“ und zeigen soziale Kämpfe in Marieluise Fleißers „Ingolstadt“.
Es war nicht unbedingt eine gute Idee, zehn Vertreter der mittleren und jüngeren Autoren-Generation dazu aufzufordern, sich jeweils eine Szene aus dem „Reigen“ vorzunehmen, um daraus ein Stück für unsere Gegenwart zu drehen. Was bei Arthur Schnitzler ein streng kalkuliertes, auf präzise austarierter dramaturgischer Ökonomie basierendes Stück ist, hat sich zu einer Serie von unabhängig voneinander existierenden Einaktern gewandelt.
Was die Vorgänger geschrieben haben, interessiert keinen, weil jeder sein eigenes Ding macht. Im Grunde ist sich jeder selbst genug. Lydia Haider gibt sich rabaukenhaft angriffig wie immer, Lukas Bärfuss ist der große Mahner, der die globalisierte Welt attackiert, mit Sharon Dodua Otoo kommt Feminismus dazu. Dank dem Russen Mikhael Durnenkov landen wir im Hier und Jetzt, wenn in einer Videoeinspielung ein Sohn mittels Skype seiner moskautreuen Mutter mitteilt, das Land wegen des Angriffskrieges zu verlassen.
Es gibt starke Szenen und eher dürftige, das ist normal bei einer Ansammlung von Texten unterschiedlicher Talente und Temperamente. Was hat das mit Schnitzler zu tun? Die Frage, die sich alle Verfasser stellen, lautet, welche skandalträchtigen Ereignisse heute noch möglich wären. Allein Lukas Bärfuss nimmt den Reigen-Charakter des Stückes ernst, wenn er das Motiv einer Glock-Pistole aus der ersten Szene von Lydia Haider aufgreift. Er lässt das Drama mit einer Beschreibung der Handhabung ausklingen, einer perfiden Prosa, die dem Benützer bei sachgemäßer Anwendung Vergnügen verheißt.
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