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Heldentenor, der Zigarre raucht

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Ich halte den .Tristan' für die schwerste Tenorpartie überhaupt”, sagt Jon Frederic West: „Da wird einem alles abverlangt. Man muß in einem Moment heldenhaft und mit ganzer Kraft singen, dann gleich wieder lyrisch.” West muß es wissen, denn er ist ein aufgehender Stern am Himmel der Hel-dentenöre, einer raren Spezies unter den Sängern, die vor allem auf die Heroen in den Opern Richard Wagners spezialisiert sind. Der internationale Durchbruch gelang ihm in Wagners „Tristan und Isolde” bei der Wiedereröffnung des Münchener Prinzregententheaters im November des Vorjahres. Am 5. September debütiert West als 'I 'ristan an der Wiener Staatsoper: Als Isolde steht ihm Gabriele Schnaut zur Seite, die musikalische Iitung hat Zubin Metha. Dem Haus am Ring gelang es, West kurzfristig zu gewinnen, da der ursprünglich für die Rolle vorgesehene Wolfgang Fassler im Juni bei einem Autounfall ums Leben gekommen ist.

Der 45jährige Amerikaner wurde in Dayton/Ohio geboren. Wests professionelle Karriere begann mit 12 Jahren. Unter anderem leitete er jahrelang einen jüdischen Chor - obwohl er strenggläubiger Protestant ist. Zuerst sang er Mozart-Partien wie etwa den Ferrando in „Cosi fan tutte” und den Belmonte in „Die Entführung aus dem Serail”. Bald wurden ihm dramatische Partien (Verdi, Pucchini) angeboten; schon seine Gesanglehrerin hatte ihm eine große Zukunft als dramatischer Tenor prophezeit. Diese Angebote lehnte er jedoch alle ab: „Man muß die Stimme sich richtig entwickeln lassen und darf sie nicht zu früh überfordern. Die richtigen Rollen zur richtigen Zeit.” Dabei ist West keine Mimose: Hin und wieder gönnt er sich eine Zigarre und er ist auch ein großer Weinliebhaber und -kenner; in seinem Keller lagern stets mindestens 150 Flaschen erstklassiger Wein: „Ich liebe gute Rotweine, aber für meine Stimme sind Weißweine viel besser, weil sie die Kehle nicht so austrocknen”, weiß er.

Für Begietheater hingegen kann sich West nicht wirklich begeistern: „Ich habe generell nichts gegen moderne Inszenierungen. Viele Begisseure gehen aber her und verdrehen die Geschichte eines Stückes wahllos, sodaß von Logik und nachvollziehbarem Geschehen auf der Bühne nicht mehr gesprochen werden kann. Ich lehne solche Inszenierungen ab. Wenn man etwas Neues haben will, dann soll man neue Opern schreiben ”, vertraute er einer deutschen Tageszeitung an. (Mehr zu diesem Thema: siehe Seite 2.)

„Ich möchte aber nicht nur als der neue Heldentenor bekannt werden”, betont West, der auch das italienische Fach liebt: „Wagner allein würde eine Stimme auf Dauer zerstören.” Trotz seines derzeitigen Buhms be kommt West zu spüren, daß am internationalen Markt dramatische Tenöre derzeit nicht so gefragt sind. Eine West-CD ist noch Zukunftsmusik. Vor allem Heldentenöre hätten es nicht leicht, bedauert der Amerikaner und glaubt auch zu wissen warum: „Ich bringe in meinen Bollen immer nur Leute um oder werde selbst umgebracht, außerdem ist die meiste Musik bei Wagner nicht so junny.”

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