"Im Rücken die Ruinen von Europa"
Im Kasino am Schwarzenbergplatz zeigt das Burgtheater Heiner Müllers „Hamletmaschine“ – als Auftakt zu einer mehrwöchigen interdisziplinären Veranstaltungsreihe.
Im Kasino am Schwarzenbergplatz zeigt das Burgtheater Heiner Müllers „Hamletmaschine“ – als Auftakt zu einer mehrwöchigen interdisziplinären Veranstaltungsreihe.
Unter dem Titel „Europamaschine“ veranstaltet das Burgtheater noch bis 12. März eine breit angelegte interdisziplinäre Veranstaltungsreihe zu aktuellen Fragen rund um den europaweit zu beobachtenden Illiberalismus, den Demokratieabbau und das Erstarken nationalstaatlicher Souveränität unter zunehmend autoritär agierenden Politikern. In über zwanzig Veranstaltungen erörtern Theoretiker, Historiker und Künster die „(Un-)Freiheit in der europäischen Geschichte, Gegenwart und Zukunft“. In ganz unterschiedlichen Formaten wie Theater, einer Science-Fiction-Lecture, Multimedia-Performance, in Gesprächsrunden, einer Stadtführung sowie in Filmscreenings sollen Fragen zur kulturellen Identität, Migration und Gastarbeiterschaft, zum Wandel und der Rolle der neuen Medien nicht nur diskutiert, sondern auch Möglichkeiten zur Erneuerung des Ideals politischer Freiheit, den Möglichkeiten aktivistischer Praktiken von der Rückeroberung des Raums als Raum der Öffentlichkeit bis hin zum Recht auf zivilen Ungehorsam aufgezeigt werden. Von besonderem Interesse sei dabei, so die beiden Kuratoren Oliver Frljić und Srećko Horvat, die Frage, welche Rolle die Kunst in dieser „Maschine, die Europa ist“, spielen kann.
Ein Krieg ohne Schlacht
Den Auftakt zur dieser „Europamaschine“ besorgte Co-Kurator Oliver Frljić gleich selber. Im Kasino am Schwarzenbergplatz inszenierte er Heiner Müllers „Hamletmaschine“. Der Rückgriff auf den berühmten Text aus dem Jahr 1977 hat einerseits programmatischen Charakter über die Maschinen-Metapher hinaus, ist andererseits aber auch ein Wagnis. Zwar ist die dezidiert politische Motivation von Müllers Schreiben auch bei diesem nur gerade mal neun Seiten kurzen Text kaum zu übersehen. „Ich war Hamlet. Ich stand an der Küste und redete mit der Brandung BLABLA, im Rücken die Ruinen von Europa.“ Müller, der vor fast genau 25 Jahren verstorben ist, sah die Geschichte des 20. Jahrhunderts nicht nur als Geschichte der industriellen Vernichtungen, der Genozide und skrupelloser Gewaltbereitschaft, sondern beargwöhnte auch die bestehende kapitalistische Gesellschaft illusionslos als unbefriedete Konsum- und Klassengesellschaft, die er als Schauplatz eines Krieges ohne Schlacht beschrieben hat.
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