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In Erwartung der „Danae“

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Erst etwa- eine Woche nach der Eröffnung der diesjährigen Salzburger Festspiele mit Mozarts „Figaro in italienischer Sprache, den Wiederaufnahmen von Verdis „Othello und Mozarts „Zauberflöte und schließlich der neuen „Don-Pasquale -Inszenierung, ließ sich mit Sicherheit sagen, daß der Schoch, den die kurz vor Beginn der Spiele erfolgte Erkrankung Wilhelm Furtwänglers auslöste, überwunden war. Natürlich war den mit ihm vorgesehenen Opernabenden anzuspüren, daß die für Festspielaufführungen unerläßliche organische Steigerung von den ersten Proben über die Generalprobe zur Premiere und den folgenden Wiederholungen fehlte. Aber die Angst, der reibungslose Ablauf der Festspiele könne gefährdet sein, wich dann doch dem Gefühl der Sicherheit, das Organisation und künstlerische Bewältigung dieser noch immer bedeutendsten Festspiele Europas nun einmal benötigen. Dies war in erster Linie Rudolf M o r a 11 zu danken, der unter Hintansetzung seiner Person „F i g a ro “ mit der Generalprobe übernommen hatte, die „Z a u- berflöte leitete, während Mario R o s s i von seinen „Pasquale'-Proben im, Landestheater zum Festspielhaus herübereilte, um „Othello zu übernehmen. Erst die Erkrankung Furtwänglers machte es offenbar, welche übergroße Arbeit der Dirigent sich zugetraut hatte. Rossis „Othello war übrigens stellenweise derart überforciert, daß man an eine Freilichtaufführung unter italienischem Himmel denken konnte. Auf der Bühne setzten sich dennoch die klug bis ins Detail nuancierenden Sänger Roman Vinay (Othello) und vor allem Paul Schöffler als Jago durch, während Rosanna Carteri mehr als vorbildliche Belcantistin am Schicksal Desdemonas Anteil nahm.

Unter den gegebenen Umständen mußte die „Zauberflöte", deren dritte Wiederholung nur mit Furtwängler begründet erschien, am stärksten abfallen. Es war eine gute Wiener Staatsopernaufführung mit den bekannten Kräften, aber kein Salzburger „Ereigiiis . Als hervorragendes Beispiel für O. F. Schuhs „Salzburger Dramaturgie freilich, für die Caspar Nehers noch immer faszinierendes Säulenrund in der Felsenreitschule von wesenhafter Bedeutung bleibt, konnte sie auch in diesem Jahre ihre künstlerische Gültigkeit bestätigen.

Mit dem neuen „Figaro wurden die Festspiele aber erst wieder zu dem, was sie sein sollen und müssen: das künstlerische Weltgewissen für eine ständige fruchtbringende Auseinandersetzung mit Mozart. Hier leistete Moralt Entscheidendes. Verständlich, daß in der Premiere noch Temposchwankungen Bühne und Orchester bedrohten. Aber bereits die erste Wiederholung des Werks, das das Rückgrat des diesjährigen Salzburg bildet, rollte in makelloser Präzision ab. Und das Erstaunliche war, daß Furtwänglers inter- pretatorishe Konzeption, vor allem in der vertieften Psyhologik der Figuren, spürbar geblieben war. Von Herbert Grafs Szenengestaltung läßt sich sicher nichts Besseres 6agen als: Mozarts Geist wurde lebendig. Selten erlebte man eine „Figaro'-Aufführung von solcher — auch im turbulentesten „Ausspielen noch — bewußten Führung der Charaktere. Auch das Komische, das durchaus zu seinem — wienerischen — Recht kam, war behutsam aus dem Geiste der Musik entwickelt. Elisabeth Schwarzkopf (Gräfin), Irmgard Seefried (Susanne) und Hilde Güden (Cherubin) wetteiferten in Schöngesang und edlem Spiel. George London ersetzte die ihm noch fehlende Würde des gräflichen Gour- mands durch 6ängerisch vollendete Gebärde. Erich Kunz' Figaro, bravourös gesungen, liebäugelte manchmal mit Kollegen Papageno, Carl Dönch bot als Gärtner eine geradezu expressionistische Studie von der Kreatur, die Recht l)at, es aber nie erhalten wird.

Der Höhepunkt der diesjährigen, hoffentlich nicht zufällig zustandegekommenen Salzburger „Italianitä wurde natürlich Donizettifi „Don P a s qu a 1 e . Wieder einmal erwies sich, daß ein Theaterabend nicht so sehr vom Was als vom Wie abhängt. O. F. Schuh führte Regie. Mit seiner Kenntnis vom „spiele rischen Wesen des Beicanto und seinem immer sicheren szenischen Instinkt machte er sozusagen plausibel, daß Donizetti einst in Bergamo das Licht der Welt erblickt hatte: die Commedia dell'arte siegte. Vor Caspar Nehers leuchtenden Dekorationen, mit Hilde Güden, deren Norina „lirico und „leggiero“ brillierte, mit Sesto Bruscantini (Pasquale), Helmut Krebs (Ernesto) und Carl Dönch, dessen Malatesta die Fäden des Spiels sicher in der Hand hielt.

Auch im Falle der beiden ersten Orchesterkonzerte mußte man in Salzburg im letzten Augenblick geschickt inprovisieren. Für Karl Böhm war Ferenc F r i c s a y gewonnen worden, der Gottfried von Einems „Capriccio“ und Bela Bartöks Streicher- Divertimento mit den Philharmonikern mit wachem Intellekt und Tschaikowskys „Pathetique — erfreulicherweise — unpathetisch musizierte. Dennoch blieb freilich die Frage unbeantwortet, ob es richtig war, im Mozarteum ein so schweres Geschütz aufzufahren. Im Festspielhaus hatte dann Clemens Krauß Furtwänglers Programm (Haydns G-Dur-Symphonie Nr. 88, Ravels „Rhapsodie Espagnol und Beethovens Achte) um den unverwüstlichen „Till von R. Strauß erweitert: ein Monstreprogramm, das den Philharmonikern und den Dirigenten einen rauschendenSieg eintrug. Der künstlerische Höhepunkt war — Haydn. Es war erhebend zu erleben, daß es noch ein Publikum gibt, das den Meister aller klassischen Meister zu ehren versteht. In der unübersehbaren Reihe der übrigen Konzerte, der Mozart-Matineen und Serenaden, der Kammer- und Domkonzerte konnte bisher vor allem das Münchner Koeckert-

Quartett Aufsehen erregen mit Schuberts noch ganz unschubertischem Es-Dur-Quartett, Beethovens a-moll-Werk und K. A. Hartmanns erstem Streichquartett.

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