Macbeth oder die Nacht der Welt

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Auch das kleine aber feine Theater in der Gumpendorfer Straße fokussiert seine Annäherung an den Macbeth auf dessen innerer Verdunkelung, der Charakter des Mörders steht im Zentrum.

Shakespeares "Macbeth" hat gegenwärtig Konjunktur: In London zum Beispiel waren seit Jahresbeginn nicht weniger als 18 Inszenierungen, Bearbeitungen oder Weiterschreibungen der Tragödie zu sehen. In Wien sind es aktuell drei. Wie wird mit Shakespeares düsterstem Klassiker heute umgegangen? Und was mutet daran, mehr als 400 Jahre später, so heutig an?

Schlicht ist die Art und Weise, wie die brasilianische Multimediakünstlerin Christiane Jatahy in "The Walking Forest", das im Rahmen der Wiener Festwochen auch in Wien zu sehen war, an Shakespeares Tragödie anschließt. Ihr Grund: Sie sehe überall Macbeths an die Macht kommen! Dem kann man sicher irgendwie zustimmen -obwohl es nicht viel erklärt. Das Interessante ihrer Arbeit ist nicht in der Auseinandersetzung mit Macbeth zu sehen, sondern liegt vielmehr darin, wie sie Installation, Videodokumentation, Performance und unsichtbares Theater miteinander vermengt und es damit schafft, dass das Publikum zu Reaktionen gezwungen wird, die ungewohnt sind.

Konventionelleres, aber sich um eine etwas ambitioniertere Deutung bemühende Auseinandersetzung mit dem Stoff, zeigt das Burgtheater. Allerdings ist die auf lediglich drei Darsteller reduzierte Inszenierung von Antú Romero Nunes keine leichte Kost. Die Bühne ist ganz in Rot getaucht und zeigt in Farbe und Architektur eine Art Spiegelung des Zuschauerraums. Hier gehen Christiane von Poelnitz als Lady Macbeth und Ole Lagerpusch in der Titelrolle, wenn sie nicht gerade als Teil des Hexentrios wirken, ihrer ungezügelten, mitleidlosen Mordlust nach. Sie erinnern in Kostüm und Maske wie auch Merlin Sandmeyer, der gleich mehrere Rollen zu spielen hat, an die Untoten aus der Fernsehserie "The Walking Dead".

Das scheint der Schlüssel zu dieser ziemlich schwer lesbaren Inszenierung zu sein, denn das Stück ist auch eines über den Aufstand gegen alte Ordnungen. Damit ist nicht nur die politische Ordnung gemeint, sondern auch die Geschlechterrollen, die im Stück implodieren. So wird die Macht innerhalb der Beziehung neu verteilt mit der Vermännlichung von Lady Macbeth, die hartnäckig am nächtlichen Begehren festhält, und der Verweiblichung von Macbeth.

Indem die Lady immer wieder auf die sexuelle Potenz ihres Gatten anspielt, es mit seinem Zweifel und dem Zaudern, seinem Gewissen in Verbindung bringt, zwingt sie ihn zur Tat. So wird aus dem Königsmord auch ein sexueller Akt.

Das Interesse des Regisseurs gilt ganz der Nachtseite der menschlichen Seele. Er lässt das Stück mit einer Geisterstunde beginnen, in der ein 40-köpfiger (!) Mädchenchor in Langhaarperücken und Nachthemdchen kreischend (ist es aus Angst oder vor Vergnügen?) vor den drei Zombies davonläuft. Das mündet in die Hexenszene, in der Macbeth durch die Weissagung der bärtigen Schwestern "Heil dir, Macbeth, der König wird danach!" nicht nur seine Verführbarkeit entdeckt, sondern seine in ihm angelegte Fähigkeit zur Sünde, zum Bösen. Denn deren unklare Andeutungen verwandeln sich ihm in die präzise Vorstellung, den König zu töten, um selber König zu werden. Damit entsprechen die Hexen einer dunklen Phantasie, die Macbeth in sich trägt und die sich nun Bahn bricht und selbst vor Mord als Mittel ihrer Erfüllung nicht halt macht.

Innere Verdunkelung

Nunes, so gewinnt man den Eindruck, erzählt das Stück aus der Innenperspektive von Macbeth, als Schauspiel der Seele. Sein geistiger Zustand wird zur Bühne für seinen Kampf gegen das Gute. Ein Theater der Gewalt, an dessen Ende das Nichts steht, das Nunes so übersetzt, dass er die ganze Bühne abbaut.

Auch das TAG, das kleine aber feine Theater in der Gumpendorfer Straße, das sich das Weiterschreiben klassischer Stoffe ins Heute zum Prinzip gemacht hat, fokussiert seine Annäherung an den Macbeth auf dessen innerer Verdunkelung. In Gernot Plass' feiner Inszenierung steht der Charakter des Mörders Macbeth im Zentrum des Interesses, allerdings mit einer etwas anderen Nuancierung. Die Weissagung der Hexen verleitet hier die moderne Ich-AG, deren oberstes Prinzip das "hic et nunc", das "hier und jetzt erfülle sich mein Leben", ist, zur schauerlichen Tat.

Plass' Macbeth, von Julian Loidl großartig gespielt, folgt aus charakterlicher Schwäche einer unausweichlichen Vorbestimmung. Dass er zum Mörder wird, ist aber weder nur Schicksal, noch mordet er für konkrete machtpolitische Ziele. Dieser Macbeth mordet ganz einfach, weil er es kann. Der innere Zwang zur Tat ergibt sich demnach nicht als Notwendigkeit, weil ein Mord den nächsten unabdingbar nach sich zieht, sondern seine Taten sind Manifestationen des freien Willens zur Macht oder auch nur zu einem selbstbestimmten Leben, jenseits aller ethisch-moralischen Grenzen oder metaphysischer Spekulationen. Macbeth ist Nihilist, Mörder in einer gottverlassenen Welt, deren Motto ist: Tue, was du willst. Und weil er es will und kann, muss er es auch tun.

Macbeth Burgtheater, 13., 15. Juni

Macbeth -Reine Charaktersache Theater an der Gumpendorfer Straße, 9. Juni

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