Mitsamt der Monarchie zerplatzt

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Bunte Ballone fliegen durch das Burgtheater: Assoziationen zu Luftschlössern tun sich auf, aufgeblasene Vorstellungen von einem Leben in Frieden. Dreieinhalb Stunden schweben die Ballone durch den Raum, Zuseher stupsen sie an, dirigieren sie in die Höhe oder nach vorne. Als könnte man den Untergang einer Ära verhindern, wird es zwischendurch hell im Saal, man blickt in die ratlosen Gesichter der anderen, betrachtet die Ballone, die sich sachte wie Planeten drehen, um dann wieder im Dunkeln zu verschwinden. Am Ende dieses langen Abends beißt Philipp Hauß als Carl Joseph von Trotta nicht nur im übertragenen Sinn ins Gras, sondern auch tatsächlich in die Ballone und lässt alle Lebensentwürfe mitsamt der ganzen Monarchie zerplatzen.

Traumartige Atmosphäre

Bei Trotta handelt es sich um den Enkel des berühmten "Helden von Solferino", der dem Kaiser in der Schlacht von 1859 das Leben gerettet hat. Der aus bäuerlichen Verhältnissen stammende Soldat wurde geadelt und "ein neues Geschlecht brach mit ihm an," schreibt Joseph Roth. Ihm gilt die besondere Verehrung des Niederländers Johan Simons, der bereits die Romane "Hotel Savoy" und "Hiob" auf die Bühne brachte. Am "Radetzkymarsch" jedoch scheitert er.

Das liegt auch an der Bearbeitung von Koen Tachelet. Ohne dramatische Schärfe mäandert die Erzählung durch die Zeiten, eine düstere Geräuschkulisse schafft traumartige Atmosphäre. Der von den Trottas so geliebte Radetzkymarsch des Johann Strauss wird an diesem Abend nicht erklingen.

Die Schauspieler sind zumeist in mehreren Rollen zu sehen. Sie sitzen auf einer langen Bank und beobachten die Vorgänge an der Rampe, bis sie aus der Menge hervortreten und sich ins Gespräch bringen. Neben Falk Rockstroh als ehrgeiziger und kaisertreuer Beamter sowie Vater des jungen Trotta berührt Johann Adam Oest als liebenswürdig-unbeholfener Kaiser Franz Joseph I. und als Maler Moser. Andrea Wenzl ist in sämtlichen Geliebten-Rollen zu sehen. Immer gleich reckt sie sich lasziv-lüstern, als wären die Frauen stets nur Varianten einer Vorstellung von Weiblichkeit. Über die Unterwäsche zieht sie einen Rock und wechselt so geschwinde die jeweilige Rolle. Simons lässt alle Charaktere in Unterhosen agieren. Ohne Uniform sind sie nackt und verletzlich. Nur Steven Scharf als Graf Chojnicki ist auch in Unterwäsche ein Mann von Format. Er findet in jeder Rolle zu einer klaren, unverwechselbaren Haltung. In kleinen Gesten gibt er den Figuren Tiefe und Geheimnis, beherrscht sie mit präziser Körpersprache. Erhobenen Hauptes sieht er der Epochenwende entgegen, bis ihn der Wahnsinn packt. Nur eine leise Änderung im Ton lässt erahnen, wie verzweifelt diese Gesellschaft ihrem Untergang entgegensieht. Übersetzt man Scharfs skeptischen Blick in die Gegenwart, dann hat man eine Idee, was Simons erzählen wollte. Leider bleibt die Inszenierung im Vagen und verpufft wie die Luft der Ballone.

Bunte Bühne

Für die Bühne zeichnet Katrin Brack verantwortlich, für Kostüm Greta Goiris.

Radetzkymarsch

Burgtheater, 27. Dez., 6., 18. Jänner

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