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Oberons Wiederkehr

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Man kann wahrhaftig nicht sagen, die Neuinszenierung von Carl Maria von Webers selten gespielter, problematischer Oper „Oberon" durch die Bayerische Staatsoper, habe unter einem guten Stern gestanden. Tragisch war schon der frühe, unerwartete Tod Walter Panofskys, der sich mit außerordentlicher Intensität und Einfühlungsgabe der textlichen und dramaturgischen Neufassung angenommen hatte. Durch eine Erkrankung des Dirigenten Heinrich Hollreiser mußte die Premiere verschoben weiden und jetzt, da der Termin endlich feststand, erkrankte Ingrid Bjoner und mußte durch Colette Lorandersetzt werden. Die entscheidende Frage ist jedoch: Kann dieses Werk der Opernbühne zurückgewonnen werden, von dem man — außer einigen wenigen Arien — nur noch die Ouvertüre zu hören bekommt?

Es ist Walter Panofsky zu danken, wenn diese Frage — obgleich nach einigem Zögern — bejaht werden kann, denn er hat eine Fassung erarbeitet, die das heillose Durcheinander des ursprünglichen Librettos lichtet. Das Hauptverdienst liegt dabei nicht im Textlichen, sondern im Dramaturgischen. Der Handlungsablauf, der sich auf der irrationalen Ebene des Liebespaares Oberon- Titania und der rationalen Ebene des Liebespaares Hüon-Rezia abspielt, wird übersichtlich und ebenso klar werden wie Konfliktsituationen, die sich aus der Überschneidung beider Ebenen ergeben. Hat man nun eine entsprechende Besetzung, vor allem Sänger, die auch das Dialogsprechen beherrschen, einen Regis seur, der seine Darsteller gut führt und romantisch-sentimentale Peinlichkeiten vermeidet, einen Dirigenten, der auch noch aus den musikalischen Durststrecken Funken schlägt und einen Bühnenbildner, dessen Phantasie die Welt der Romantik für unsere nüchterne Stilepoche einzu fangen versteht, müßte Webers „Oberon“ überzeugend zu realisieren sein.

Leider erfüllten sich bei der Premiere im Münchner Nationaltheater nicht alle Voraussetzungen gleichermaßen. Getragen wird diese Aufführung in erster Linie von Josef Svoboda, dem bedeutenden Prager Bühnenbildner, einem Magier des Lichtes und der Farben. Wie er bei offener Bühne die szenischen Übergänge zwischen dem Elfenreich Oberons und dem Schauplatz in Bagdad buchstäblich ineinanderfließen läßt, wie er zu immer neuen Nuancierungen in der Farbgebung findet, das ist letin Ereignis.

Von der Regie Rudolf Hartmanns läßt sich nicht in solchen Superlativen berichten, die Führung der Akteure war routiniert und wirkungsvoll, aber nicht besonders einfallsreich und der Choreograph Heino Heiden ließ sich weder von den Visionen Svobodas, noch von den phantastischen Kostümen Jan Skalickys aus der Reserve lok- ken. Den Tanz der „verzauberten“ Piraten hätte man sich gern gespart. Heinrich Hollreiser musizierte mit dem Bayerischen Staatsorchester einen schwungvollen, aber nicht hinreißenden Weber. Schon der Beginn der Ouvertüre wirkte verschleppt und die genialische Vorausschau auf Richard Wagner in der Musik zum Sonnenaufgang wollte nicht die letzten Höhen erreichen, die sich Weber hier gesteckt hat, dagegen gab es Cello-Passagen von schönster romantischer Poesie.

Das Ensemble selbst hatte sehr unterschiedliches Niveau und das stört natürlich die Geschlossenheit einer Aufführung ganz beträchtlich. Jean Cox (Hüon) hat wohl einen metallischen Tenor, aber es fehlt ihm die Stütze der Mittellage, der Schmelz, ein reines Piano und auch eine gewisse Wendigkeit der Stimme. Diese Partie, die sich wie ein Minia- tur-Lohengrin ausnimmt, ist äußerst schwer, sie ist heldisch und lyrisch zugleich, aber das wind vom Fach für die deutsche Romantik verlangt und das Publikum kommt um den musikalischen Genuß, wenn es immerzu Angst um den Tenor haben muß. Auch ist es für Jean Cox keine Entschuldigung, daß seine Partnerin Colette Lorand(Rezia) ebenfalls unrein intonierte. Frau Lorand war immerhin für die erkrankte Ingrid Bjoner eingesprungen und so waren die Buhrufe der Galerie taktlos, selbst wenn man einwenden kann, daß die Bayerische Staatsoper die exponierten Rollen unter allen Umständen doppelt und auch gleichwertig besetzt haben sollte. Ungetrübte Freude bereiteten dagegen Ingeborg Hallstein (Titania), die schon in ihrer ersten Arie Sommernachtstraum- Atmosphäre lebendig werden ließ, Brigitte Fassbaender (Fatime), Kieth Engen (Oberon), auch wenn er im Sprechen zu pathetisch wirkte, und Inghild Horysa (Meermädchen). Hans darin in der Rolle des Puck war mit Recht der Publikumsliebling Nr. 1 und trieb, zusammen mit Karl Bellgardt als Droll, sein lustiges, verwirrendes und verwegenes Spiel. Der Beifall war groß, aber nicht ungeteilt.

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