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Opern von Einem und Blacher

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Gottfried von Einems Oper „Dantons Tod“ („frei nach Georg Büchner“) wurde 1947 im Rahmen der Salzburger Festspiele uraufgeführt und darauf im Theater an der Wien nachgespielt, wo sie jetzt, als Festwochenpremiere 1963, fröhliche Urständ feiert. In der Zwischenzeit hat sich das während der letzten

Kriegsjahre geschriebene Werk viele deutsche Bühnen erobert und gehört zum Grundbestand des zeitgenössischen Musiktheaters. Begreiflicherweise und völlig zu Recht — wie die Wiederbegegnung vorige Woche zeigte. Da ist zunächst — seltener Glücksfall! — ein hinreißender Text: das Revolutionsdrama Georg Büchners, dessen 150. Geburtstags wir heuer im Herbst gedenken werden. Die auf vier Akte verteilten 29 Szenen wurden von Boris Blacher, dem ehemaligen Lehrer und Freund Einems, sehr geschickt auf sechs Bilder und zwei Akte komprimiert. Und dann ist da eine ebenso inspirierte wie eigenständige, von stürmischem dramatischem Atem erfüllte Musik, deren streng kontrollierte Leidenschaftlichkeit mit dem kalten Feuer der Büchnerschen Prosa korrespondiert.

Der Wiener Festwochenintendant hat Regie Otto Sehen k anvertraut,. desn

„Lulu“-Inszenierung im vergangenen Jahr so gut gefallen hat. Schenk inszenierte (ganz ohne Seitenblick auf das zeitgenössisch-modisch objektivierende Musiktheater) im Stil eines „sozialistischen Realismus“, wenn wir die Bezeichnung einmal in ihrem ursprünglichen Sinn nehmen. Dem Sujet und dem Libretto entsprechend spielen in dieser Oper Massen- beziehungsweise Chorszenen eine große Rolle. Schenk bringt sie stets als Summe, als Nebeneinander oder Gegeneinander quasi spontaner Einzelreaktion und gelangt zu ebenso turbulenten wie vehementen Volksszenen, die de^ historischen Wirklichkeit recht nahe kommen dürften. Im Stil seines Regiekonzepts, das auch die Hauptakteure durchaus realistisch-naturalistisch führt, schuf Walter Dörfler seine wirklichkeitsnahen, ruinösen Bühnenbilder, und Hill Reihs-Gromes die vielen Kostüme des gehobenen und des niedrigeren Lumpenproletariats. Eberhard Wächter in der Titelrolle spielte einen leidenschaftlichen Phantasten. Ob das ganz richtig

war? Auf jeden Fall hat er seine große und anstrengende Partie prächtig gesungen. Donald Grobe sang und agierte sehr schöu den weicheren Desmoulins, Gerhard Stolze mit gewohnter Virtuosität den ihm auf den Leib geschriebenen Robespierre. Sonja Schöner als Lucile war vollkommen in Erscheinung, Stimme und Ausdruck, die kleinere Partie der Julie war mit Helli S p i 111 e r bestens besetzt. Der von dem Bayreuther Chormeister Wilhelm Pitz einstudierte verstärkte Staatsopem-chor war unter der Spielleitung Otto Schenks wie verwandelt, und die W i e-ner Symphoniker unter der Direktion Ferdinands L e i t n e r s, der für eine ebenso intensive wie präzise Wiedergabe der stellenweise recht heiklen Partitur sorgte, standen ihren Kollegen, dem Berufsopernorchester der Philharmoniker, in nichts nach. Der lebhafte, eine gute Viertelstunde währende Beifall galt allen Beteiligten und erreichte seine größte Lautstärke, als sich der Komponist mit seinem Lehrer und Freund Boris Blacher vor dem Vorhang zeigte.

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Eine „Salzburger Reprise“ war auch Boris B1 a c h e r s im Mozart-Saal konzertant aufgeführte Kammeroper „Romeo und Julia“ („frei nach Shakespeare“), die 1947 in Berlin uraufgeführt worden war und drei Jahre später bei den Salzburger Festspielen szenisch gegeben wurde. Ähnlich wie in Frank Martins „Zaubertrank“ ist ein Kammerchor der Hauptakteur. Ihm und den beiden Solopartien, einem Tenor und einem Sopran (Lawrence D r i s c o 11 und Catherine Geyer von der Deutschen Oper Berlin), fehlte es trotz des ausgesparten und objektivierenden Stils nicht an expressiven und lyrischen Momenten. Das kleine Orchester ist subtil und farbig eingesetzt. Die drei neuen Chansons, mit denen die drei Teile des knapp einstündigen Werkes eingeleitet werden, empfingen durch die rauhe Kellerstimme von Eva Pilz eine ebenso eigene wie fremdartige

(Dreigroschen-) Note. Kurt R a p i leitete das aus dem Wiener Collegium M u s i c u m und dem Chor des Österreichischen Rundfunks bestehende Ensemble. Wegen plötzlicher Indisposition des Tenors mußte die Aufführung, die pausenlos ablaufen sollte, für eine Viertelstunde unterbrochen werden, was aber den Gesamteindruck kaum beeinträchtigt hat.

Helmut A. Fiechtner

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