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Osterreich in Holland

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Unter großer internationaler Beteiligung auf dem Gebiet der Oper, des Schauspiels und Balletts sowie der symphonischen Musik wurde das vom 15. Juni bis 15. Juli dauernde Holland-Festival in den wich-- tigsten Städten des Landes abgehalten. Beachtenswerte Erfolge errangen auf musikalischem Gebiet Karl Böhm, det eine glänzende Vorstellung von Richard Strauss' „Capriccio“ der Bayrischen Staatsoper dirigierte, die Pianistin Ingrid Haebler mit Klavierkonzerten von Haydn und Mozart ufid der Organist Dr. Hans Haselböck. Das Konzertprogramm stand vor allem im Zeichen der drei großen Österreicher Gustav Mahler, Hugo Wolf, Alban Berg.

Zum fünften Male gastierte das Wiener Burgtheater in sieben niederländischen Städten mit insgesamt zwölf Vorstellungen von Schnitzlers „Anatol“. Dank der großartigen Besetzung der vor kurzem im Akademietheater stattgefundenen Neuinszenierung war der Erfolg vor durchweg vollen Sälen groß. Königin Juliana und Prinzessin Irene, zusammen mit dem griechischen Kronprinz Con-stantin, wohnten gleichfalls je einer Vorstellung in Den Haag bei und ließen sich die Künstler vorstellen.

Die Wahl des Stückes war jedoch, wie auch schon bei vorhergehenden Gastspielen, Anlaß zu berechtigter Kritik, die diesmal nicht mehr überhört werden darf, wenn das Burgtheater in Holland nicht in den Ruf einer Amüsierbühne kommen soll. Anläßlich der Burgtheatergastspiele hier mit Hennann Bahrs „Das Konzert“ und Hugo von Hofmannsthals „Der Unbestechliche“ wurde bereits von den Korrespondenten der „Furche“ darauf hingewiesen, daß nach Schnitzlers „Liebelei“, dem großen Erfolg des ersten Gastspieles im Jahre 1954, das niederländische Publikum nunmehr hinreichend über eine gewisse Wiener Gesellschaftsschichte aus der „Welt von gestern“ informiert sei und man nunmehr vom Burgtheater eine Klassikervorstellung oder ein Stück eines Autors der Welt, in der wir heute leben, erwartet. Wie jedoch auch die niederländische Presse zur Wahl von Schnitzlers „Anatol“ teilweise urteilte, mögen folgende Ausschnitte zeigen. „Het Algemeene Dagblad“ in Rotterdam spricht von einer Vergeudung von großem Talent an ein Stück, das dem heutigen Zuschauer wenig mehr als eine geschichtliche Erinnerung bieten kann, die wir schon kennen. Man hat nun genug davon gesehen! Und die „Haagsche Courant“ spricht von einer perfekten Lektion in Literaturgeschichte, mehr sei diese Vorstellung nicht geworden, denn mit der Welt von Schnitzler verbindet uns heute nichts mehr. Hoffentlich beginnt man in den leitenden Kreisen des Burgtheaters einzusehen, daß man die große Bewunderung hier in Holland für dieses Institut nicht länger mit zwar ausgezeichnet gespielten, aber altmodischen Stücken belohnen darf. Und den Nagel auf den Kopf trifft der Kritiker der katholischen Tageszeitung „De Tijd“, wenn er schreibt, „man bekommt langsam den Eindruck, daß das Holland-Festival das Burgtheater immer nur verwendet, um für den Amüsierbetrieb der Festspiele zu sorgen. Nichts gegen Unterhaltung, es ist jedoch bedauerlich, daß das Burgtheater speziell für die Zerstreuung des Publikums herkommen muß und das große Repertoire mit seinen grandiosen Vorstellungen hier unbekannt bleibt, wie zum Beispiel die Neuinszenierungen von .Ödipus' und .Torquato Tasso'. Warum läßt die Leitung des Festivals nicht diese Stücke herkommen?“ Man sieht, die Vorwürfe wegen der Wahl der Stücke werden ehrlich zwischen den beiden verantwortlichen Stellen in Wien und in Holland verteilt. Das holländische Publikum beharrt auf der Erfüllung seiner Wünsche, daß nicht nur die französischen und englischen Bühnen mit Klassikervorstellungen oder modernen Stücken auf Besuch kommen.

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