Adamec - © Foto: Matthias Horn

Peter Handkes „Zdeněk Adamec“

19451960198020002020

Nach der Uraufführung von Elfriede Jelineks „Lärm. Blindes Sehen. Blinde sehen!“ im Wiener Akademietheater inszeniert Frank Castorf, der ehemalige Intendant der Berliner Volksbühne, auf der großen Bühne am Ring nun Peter Handke.

19451960198020002020

Nach der Uraufführung von Elfriede Jelineks „Lärm. Blindes Sehen. Blinde sehen!“ im Wiener Akademietheater inszeniert Frank Castorf, der ehemalige Intendant der Berliner Volksbühne, auf der großen Bühne am Ring nun Peter Handke.

Werbung
Werbung
Werbung

Frank Castorf meinte einmal, ihm sei eine gewisse stoffliche Komplexität, wie sie in einer vielschichtigen Wahrnehmungsweise liege, sehr wichtig. Diese Aussage könnte ebenso Peter Handke gemacht haben. Dass also Castorf einmal Peter Handke inszenieren würde, schien eigentlich schon lange auf der Hand zu liegen. Zu ähnlich sind sich beide in der Wut und der Weise, an der Welt oder auch mal an der künstlerischen Einfalt des Publikums (nicht zu reden von den Kritikern) zu leiden, nicht mundfaul für umstrittene Haltungen einzustehen, in der Lust auch mal gezielt eine Provokation zu lancieren, eine leidenschaftliche Fangemeinde hinter sich zu scharen wie ebenso hitzige Ablehner gegen sich zu wissen, kurz: zu polarisieren. Hinzu kommt, dass Handke in seinen jüngeren Stücken eine Art Altersmilde erkennen lässt, die sich als Offenheit der Interpretation und des Zugangs für ihre szenische Umsetzung zu erkennen gibt, die der Arbeitsweise von Castorf eigentlich auf den Leib geschrieben sein müsste.

Im Burgtheater haben Frank Castorf und Peter Handke nun also endlich ihre längst fällige Premiere. Denn auch thematisch ist „Zdeněk Adamec“ ein Stoff für den Regisseur. Handke erzählt ­darin vom Schicksal des titelgebenden ­gerade mal 18-jährigen Schülers aus Humpolec im böhmischen Hochland, der sich am 6. März 2003 mit fünf Litern Benzin übergossen und vor dem Nationalmuseum auf dem Prager Wenzelsplatz angezündet hat.

Wie er im Abschiedsbrief an die „lieben Bewohner der ganzen Welt“ sagte, wolle er als „Fackel 2003“ ein Zeichen gegen den Zustand der Welt setzen, ein Zeichen gegen „die Erzfeinde der Menschheit“, Geld und Macht, gegen die Vernachlässigung der Ökologie und gegen die Kriege im Namen der Ölkrise. Er wusste um den historischen Bezug, an gleicher Stelle verbrannte sich 1968 „Fackel No. 1“, der Student Jan Palach, aus Protest gegen die Niederschlagung des Prager Frühlings durch den Einmarsch sowjetischer Truppen.

Lose Textpassagen

In dem im Tonfall wunderbaren, poetischen und melancholischen Buch „Zdeněk Adamec“, das Handke für das Theater gedacht hat und es „Eine Szene“ nennt, heißt es in der den Anfang machenden Regieanweisung: „Weiträumige Szene, mit Öffnungen nach allen Seiten, dicht bevölkert […] Kommen und Gehen, hin und her, kreuz und quer, da und dort auch ein Zusammenstehen […] eine jedermann zugängliche Lokalität, [...] unbestimmbarer Natur, freilich kein freier Platz, […] weniger Außen- als Innenraum,[...] möglicherweise ein ehemaliges Klosterrefektorium in der spanischen Provinz Ávila, oder wo, oder der Kleinstadt-Tanz-und-Festsaal, mit einer (leeren) Thekenecke, von Humpolec in Böhmen, oder wo. Zeit: jetzt oder sonstwann. […] Wie viele von uns sind auf der Szene geblieben? Fünf, sechs, sieben, acht, so viele, wie das Spiel, das unsrige, nötig haben wird. Mehr Männer, mehr Frauen? Was ihr wollt […] Junge? Alte? – Wie es euch gefällt. […] Jetzt aber: unser Gespräch, ein abendliches, ein nächtliches (oder zeitweise auch dramatisches), setzt ein, und ein Satz gibt in der Folge den anderen, oder auch nicht, mit Pausen dazwischen, oder auch nicht.“

Ein Thema. Viele Standpunkte. Im FURCHE-Navigator weiterlesen.

FURCHE-Navigator Vorschau
Werbung
Werbung
Werbung