Ricard II - © Foto: Lukas Beck

Shakespeares Königsdrama „Richard II.“ als fade Familienangelegenheit

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Trotz schöner Ideen kann Johan Simons kein überzeugendes Gesamtbild schaffen, denn leider dominiert Fadesse den Abend.

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Trotz schöner Ideen kann Johan Simons kein überzeugendes Gesamtbild schaffen, denn leider dominiert Fadesse den Abend.

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Bei der Premiere von „Richard II.“ bot der Zuschauerraum des Burgtheaters einen traurigen Anblick: Viele der renovierten Plätze waren frei geblieben. War es die Angst vor Ansteckung, das enorme Aufgebot an Premieren oder das schöne Wetter, dass die Vorstellung letzten Donnerstag nicht ausverkauft war? Eine Theatersensation hat man jedenfalls nicht verpasst.

Das selten gespielte Shakespeare’sche Königsdrama „Richard II.“ hat Johan Simons als Familienangelegenheit inszeniert, in welcher der Streit um den Thron vorherrscht. Johannes Schütz hat das Objekt des Begehrens als weißes Gerüst aus Stangen und Platten gestaltet. Die Konstruktion ist multifunktional; zu Beginn zeigt sie sich noch als harmonisches Rondeau. Der König (Jan Bülow) lehnt gelangweilt am Haus, ein Haarreifen ersetzt die Krone. Am Regieren hat er wenig Interesse. Lieber verbringt er seine Zeit mit Königin Isabel (Stacyian Jackson). Als sich sein Cousin Heinrich (Sarah Viktoria Frick) und der Herzog von Norfolk (Gunther Eckes) wechselseitig des Hochverrats anklagen, soll es zum Zweikampf kommen. Der Konflikt nimmt Fahrt auf, Teile des komplexen Gerüstes werden herausgezogen, als Lanzen verwendet und bringen so das Gleichgewicht ins Wanken. Richard, feige und nicht ohne Schuld an dem Streit, unterbricht den Kampf und schickt beide in die Verbannung. Als Richard nach Irland reist, um einen Aufstand niederzuwerfen, kehrt Heinrich zurück und rächt sich am Cousin, der zu Unrecht die Güter des verstorbenen Onkels beschlagnahmt hat.

Die im wahren Sinne des Wortes aus dem Gleichgewicht geratene Bühne symbolisiert das zerrüttete Reich und bildet den Boden „für Pandemie und Bürgerkrieg“. Ganz aktuell klingt es plötzlich in der 1595 uraufgeführten Tragödie. Richard lässt es nicht so weit kommen, er entsagt dem Thron. Nach dem Machtwechsel sind die Speichellecker schnell zur Stelle. Die Gunst des neuen Königs erhoffend, ermorden sie Richard. Simons findet dafür ein ungewöhnliches Bild, das der Logik der Inszenierung folgt: Ein Handlanger Heinrichs presst einen Tisch gegen den geschwächten Herrscher, sodass die Kante dessen Kehle eindrückt.

Dieses Machtsystem wirkt bis ins letzte Detail, solange die Opportunisten mitspielen. Davon erzählen auch die Kostüme von Greta Goiris. Sie hat den Akteuren lächerliche Kleider umgehängt, bunte Hemden, viel zu große Jacken und zu kurze Hosen in schrillen Farben. Was die Darsteller nicht am Leib tragen, wird auf einen „stummen Diener“ gehängt. Wie auswechselbare Anziehpuppen agieren die Lords. Gerät die Nähe zur Macht in Gefahr, wird aus den elegant plaudernden Herzögen eine geifernde Meute. Trotz dieser schönen Ideen kann Simons allerdings kein überzeugendes Gesamtbild schaffen, denn leider dominiert Fadesse den Abend. Magerer Applaus, wohl nicht nur aufgrund des kargen Besuchs.

Die Autorin ist freie Theaterkritikerin.

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