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Sie verdoppeln sich

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Was sich auf der Bühne begibt, ist ein Spiel, das ohne Zuschauer sinnlos wird. Es gilt das auch für ein Stück wie Becketts „Warten auf Godot“, das in vier Gestalten existentielle Situationen darbietet. Bei der Aufführung im Rahmen der Salzburc/er Festspiele im Landestheater macht der tschechische Regisseur Otomar Krejca im Verein mit dem tschechischen Bühnenbildner Josef Svoboda diesen Spielcharakter eindrücklich bewußt. Die rokokoartig wirkenden Logenwände des Zuschauerraums sind bis auf die Bühne vorgezogen, in sechs Logen wohnen Statisten als fiktive Zuschauer der Aufführung bei. Da nun statt des Hintergrundprospekts eine bühnenhohe Spiegelfläche angebracht ist, scheint sich anfangs und in der Pause auch vor uns ein Zuschauerraum zu befinden. Ein seltsamer Eindruck. Beginnt das Spiel, verschwindet diese Spiegelung, Wladimir und Estragon, Pozzo und Lucky verdoppeln sich optisch im Riesenspiegel und sie bewegen sich nun In einem schwarzen Nichts. Ja, durch einen Fehler im Anbringen der Spiegelflächen erscheinen sie immer wieder zerschnitten. Das Schemenhafte dieser weitgehend entindividualisierten Gestalten wird durch die Doppelgänger, durch die genau gleiche Wiederholung der Bewegungen noch gesteigert. Antithetischer Eindruck: Die fiktiven Zuschauer verharmlosen das Spiel als Spektakel, die Spiegelwand verstärkt die geistige Wirkung. Spannung des Gegensatzes.

Siegfried Lowitz zeigt als Wladimir unbeschwerte Munterkeit, es fehlt aber das Doppelbödige, jener Untergrund, der erst die Kapriolen als Tarnung einer letzten Verzweiflung erscheinen läßt. Zweischichtigkeit spürt man jedoch bei Kurt Sowinetz als Estragon, der diese Rolle schon vor sechzehn Jahren gespielt hat. Die Gestalt des Pozzo kann verschieden dargestellt werden, nahezu gespenstig sadistisch oder als Verkörperung primitiver Brutalität. Ulrich Haupt ergibt sich streckenweit hemmungsloser Theatralik. Vorzüglich wirkt dagegen Bernhard Widey als Lucky in der Maske eines vergreisten Professors, der in hündisch-treuer, furchtsamer Ergebenheit Pozzos Befehle ausführt. Hermann Scheidleder hat als der „Junge“ eine seltsame Fröhlichkeit, die ihn fast einer anderen Welt zuordnet. Jedenfalls schließen die Schauspiel-Neuinszenierungen der Salzburger Festspiele ungleich besser als sie begannen.

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