humanistää - © Foto: Nikolaus Ostermann / Volkstheater

Volkstheater: Vom Sorgenkind zum Lieblingskind

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Das seit 12. Dezember wegen des erneuten Lockdowns geschlossen gebliebene Volkstheater startet nun fulminant ins neue Jahr.

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Das seit 12. Dezember wegen des erneuten Lockdowns geschlossen gebliebene Volkstheater startet nun fulminant ins neue Jahr.

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Der Intendant des Wiener Volkstheaters, Kay Voges, hat hart mit der Pandemie zu kämpfen. Seine Entscheidung, das Haus nach dem letzten Lockdown erst am 7. Jänner wieder zu öffnen, hat ihm viel Kritik eingebracht. Das Haus sei nicht sichtbar, so ein oft formulierter Vorwurf. Tatsächlich ist in den gerade einmal 70 Spieltagen, die Voges seit seinem Antritt in Wien im Herbst 2020 coronabedingt zur Verfügung standen, der ohnehin schmale Abonnentenstamm um 90 Prozent eingebrochen, auf gerade einmal noch etwas über 250.

Ob das schwindende Interesse tatsächlich hausgemacht oder vielleicht vielmehr ein Effekt der Pandemie ist, der alle Theater hart trifft, bleibe mal dahingestellt. Die beiden Abende, mit denen das Haus am Arthur-Schnitzler-Platz ins neue Jahr startete, belegen aber mit Nachdruck, dass der Interessenschwund völlig unverdient ist.

Den hierzulande wenig bekannten Autor, Comedian, Regisseur und Liedermacher Rainald Grebe betraute Voges unter dem vielsagenden, fast programmatischen Untertitel „Eine Staatsaktion, ein Nichts, ein Volkstheater“ mit einem Sisi-Abend. Dabei sind die schlimmsten Befürchtungen nicht eingetroffen. Ganz im Gegenteil.

Nicht österreichisch genug?

Immer wenn in Wien der Name Sisi fällt, denkt man an die vielen Klischees, die – befeuert vom unsäglich rührseligen Heile-Welt-Heimatfilm mit Romy Schneider und Karlheinz Böhm von 1955 – das Leben von Österreichs beliebtester Kaiserin Elisabeth umnebeln. Seitdem wird ihr wahres Leben als Ware ausgebeutet. Nicht so bei Grebe und Ensemble. Zwar entbehrt deren ethnografische Tiefenbohrung in des Österreichers Nostalgiebedürftigkeit, die unter dem Titel „Ach, Sisi – neunundneunzig Szenen“ als musikalische Revue angelegt ist, weitgehend eines tieferen Sinns. Aber trotz des possenhaften, komischen, zuweilen gar grotesken Treibens gelingt es dem (einmal mehr) großartigen Ensemble in den oft wie hingetupft wirkenden Miniaturskizzen, eine höchst ambivalente, zwischen Pflichterfüllung, Obsessionen und persönlichen Ambitionen zerrissene Figur sichtbar zu machen. Der in vielerlei Hinsicht wunderbare Abend dürfte dem Kalkül entsprechen und den Vorwurf an das Theater, es sei unter Voges nicht österreichisch genug, auf intelligente Art torpedieren.

Die zweite Premiere im neuen Jahr, „humanistää – eine abschaffung der sparten“ nach Ernst Jandl, gerät gar zum Triumph. So vergnüglich, gescheit und virtuos hat man die Darstellung der Sprachkunst Ernst Jandls auf der Bühne schon lange nicht mehr geboten bekommen.

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