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Vom Krimi zur Oper

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Am Klagenfurter Stadttheater beziehungsweise in den Kammerspielen hat die Saison begonnen, und gleich die ersten Aufführungen der Musikwerke erbrachten den Beweis, daß man hier auf Oper und Operette größten Wert legt; man denkt im Publikum gar nicht daran, jenen das Wort zu reden, die vom Dredsparten- theater weg zu einer reinen Sprechbühne gelangen möchten, der es hier an einem größeren Besucherstock mangelt.

Daß man Arthur Watkyns Kriminalkomödie „Streng geheim“ allzu wörtlich nahm und nur in kleiner Zahl hinter das Geheimnis dieser recht munteren und satirisch aufgeputzten „Geheimen Komödiensache“ zu kommen suchte, ist bedauerlich. Das von Theo Frisch-Gerlach, als Regisseur und Hauptrollenträger, gebotene Spiel nimmt fröhlichen Verlauf, verführt allerdings zu leichter Übertreibung in der Zeichnung der Typen, wodurch in erster Linie Frisch-Gerlachs Schulleiter Dodd betroffen war, der als reiner Tor in eine heikle Sache der Spionageabwehr gerät.

Auf höherer Ebene des Wortes fin det sich Moliėre im Großen Haus angesiedelt. Unter der sehr präzisen Regie Grete Bittners trieb „Der Geizige“ sein Spiel zwischen Charakteranlage und Seelendefekt. Der neue Bühnenbildner Wolfgang Moser hatte Harpagons Welt der Knauserei recht stimmungsträchtig gebaut und so Raimund Kuchar das Milieu geschaffen, in dem der vom Grotesken der Situation bis zu jenem fast tragischen Gehaben, dem man nur mit kopfschütteln begegnet,

Harpagon sein durfte und war. Neben ihm stand die ausgezeichnete Intrigantin Frosine Edith Theiners, gefielen, soweit dies erste Bekanntschaft begründen kann, die neuverpflichteten Damen Brigitte Umlauf und Eveline Kollhammer und zeigte Horst Eder als commedia-entsprun- gener Diener einmal mehr sein Talent. Das alles ergab in seiner Gesamtheit anerkennenswertes und in der Inszene bruchloses Theater.

Der Klagenfurter Publikumsgünstling, die Operette, kam mit Paul Abrahams „Ball im Savoy“ sehr gut an. Sehr kultiviert, mit viel Geschmack und in gekonnter Wiedergabe präsentierte sich die von Text und Musik her eher stiefmütterlich bedachte Operette, der die musikalische Neuinstrumentierung hörbar guttat. Ein sympathischer Tenor — Theo Thünken — stellte sich vor, eine vorerst noch schwer zu wertende Soubrette — Ingrid von Stetten — lernte man kennen und freute sich des Wiedersehens mit Gerdy Romvary als Magdaleine. In einer Sprechrolle hob Roland Braun in seinen Szenen als sehr menschlich geschauter Celestin das Stück über allen Operettenzauber hinaus auf eine höhere Ebene. Das neue, kleinere Ballett mit Jutta Giesecke und Klaus Zimmermann zeigte, daß es auf die Zahl nicht ankommt. Die Regie — Franz Göd — und der Diligent — Hans-Jörg Scherr — hatten gute Arbeit geleistet. Vom Publikumsbeifall empfohlen begab sich die Operette zu einem Gastspiel nach Ingolstadt, um dort den „Ball im Savoy“ zu ver-anstalten.

War nach dem Gesagten der Spiel zeitbeginn vielversprechend, unterstrich „La Traviata“ dies Versprechen aufs nachdrücklichste in einer Inszene, um die sich der Intendant

O. H. Böhm persönlich bemüht hatte; ihm und dem Dirigenten Hanspeter Gmür war ein Abend zu danken, der für das theatereigene, also „gastlose“ Ensemble zu vollem Erfolg wurde. Man hatte die neue deutsche Textfassung von Popelka und Winkler gewählt und so das Operndeutsch erträglich gemacht und darüber hinaus auch mit Hilfe des Bühnenbildners Wolfgang Moser optisch das Beste geboten. Die schönen Farben der Kostüme, die kluge Führung des Bühnenvolkes und die kleinen, liebevollen Details der Szene sprachen an, die gesanglichen Leistungen aber

— und hier sei die Violetta der neuengagierten Polin Ena Lewgowd für ihr glockenreines Singen und ihr unaufdringliches Spiel besonders bedankt — überzeugten auch jene, die nach den Abgängen ein Absinken des Opernniveaus erwartet hatten.

Tibor Kelen gab seinem Alfred den tenoralen Wohlklang und die Ausdruckskraft seiner Stimme, der neue Bariton Paul Neuner als Vater Ger- not hob durch beseelten Wohlklang den väterlichen Zuspruch aus der leider gegebenen Sentimentalität ins Erträgliche schön erfundener Melodie. Chor und Orchester boten ihr Bestes; das Publikum, nimmt man den Beifall als Maßstab, stand da nicht nach.

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