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Von Eden bis Matthäus

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Biblische Themen als Stoffe für Musicals sind höchst erfolgreich: Jüngstes Produkt ist „Children of Eden“

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Biblische Themen als Stoffe für Musicals sind höchst erfolgreich: Jüngstes Produkt ist „Children of Eden“

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Von Aristophanes bis Oscar Wilde, von Shakespeare bis Victor Hugo - kaum eine Kunstform hat das moderne Musiktheater so inspiriert wie die Literatur. So machten zum Beispiel auf literarischen Werken basierende Musical-Klassiker wie * „Les Miserables“, „West Side Story“ oder „Candide“ allseits Theatergeschichte. Aber auch das „Buch der Bücher“ diente als Musical-Vorlage.

Das jüngste Beispiel einer illust- ren Reihe von Bibel-Adaptionen, das am 8. Jänner 1991 in London Premiere hatte, „Children of Eden“, beschäftigt sich mit den Anfängen des Alten Testaments. Von der Erschaffung der Welt bis zum Brudermord Kains reicht der erste Akt, im zweiten wird die Geschichte von Noahs Arche erzählt.

Der Schwerpunkt liegt jeweils auf den oft schmerzhaften Vater-Sohn- Beziehungen der Akteure: Adam mißachtet den Befehl seines Vaters und wird aus Eden verbannt. Erwachsen geworden, hat er später ähnliche Konflikte mit seinem eigenen Sohn Kain. Auch Noahs Sohn Japeth geht lieber seinen eigenen Weg und will von der väterlichen Arche nichts wissen

Über all das legt sich wie ein farbenfroher Fleckerlteppich die ansprechende Musik des Amerikaners Stephen Schwartz, die vom Oratori um über Pop-Ballade zu Gospel reicht. Es sei noch erwähnt, daß sowohl Gott als auch Eva in der Interpretation des Komponisten mit schwarzen Darstellern besetzt wurden.

Bereits einige Monate später wurde das Stück allerdings durch eine bombastische Wiederaufnahme von Andrew Lloyd Webbers (ebenfalls alttestamentarischem) „Joseph and his Amazing Technicolor Dreamcoat“ in den Schatten gestellt - mit Teenie-Star Jason Donovan in der Titelrolle.

Mit Hilfe einer Erzählerin, eines Kinderchores und einer Handvoll bunt gekleideter Schauspieler wird hier die Geschichte von Jacobs Sohn Joseph erzählt. Verfeinert durch Tim Rices zeitgemäße, witzige Texte bietet dieses Erstlingswerk des englischen Erfolgskomponisten seichte Unterhaltung für die ganze Familie, das oft wie uneinheitliches Stückwerk anmutet. Calypso-Parodien sind hier ebenso zu finden wie amerikanische Balladen und Presley- Rock — vorgetragen vom Pharao, einem Elvis-Imitator im Tutencha- mon-Look.

Aufgrund verhältnismäßig leicht erwerbbarer Rechte geisterten — lange vor der Londoner Wiederaufnahme - regelmäßig Amateurproduktionen von „Joseph“ durch Österreich. Daß diese teils als Karrieresprungbrett späterer Wiener Musicalsänger dienten, sei hier nur am Rande erwähnt. Nennenswert ist auf jeden Fall eine erst kürzlich im Bank Austria Zelt präsentierte Fassung von Musical-Althäsin Anna Vaughan.

Trotz immenser Popularität kann „Joseph“ jedoch allenfalls als Vorübung des Komponisten für sein darauffolgendes „Jesus Christ Superstar“ gesehen werden. Hier wählte das Webber/Rice-Gespann die letzten Tage im Leben Jesu als anspruchsvollen Inhalt für eine ausgereifte Rock-Oper, die fast alle Möglichkeiten der Rockmusik der Entstehungszeit (1970) in sich vereinte.

Erzählt aus der Sicht von Judas Ischariot revolutionierte „Jesus Christ Superstar“ praktisch über Nacht das Genre Musical und wird auch heute noch weltweit gespielt. Erst kürzlich konnte man eine japanische Tournee-Produktion bewundern, die das Stück im Kabuki-Stil präsentierte. In der konventionelleren Wiener Inszenierung durfte der junge Aus- tro-Popper Rainhard Fendrich in die Rolle des Jesus schlüpfen und auch „Phantom“ Alexander Goebel schnupperte dabei erste Musicalluft im Theater an der Wien.

Wo „Jesus Christ Superstar“ einen intellektuellen Zugang zum Thema sucht und dabei gleichzeitig ein Bild der politischen und sozialen Verhältnisse zu Zeiten Jesu zeichnet, will das im selben Jahr produzierte Musical „Godspell“ nur eines: Spaß machen und ein Lebensgefühl vermitteln. Nicht die Person Jesus (in der ursprünglichen Version von Hollywood- Star Jeremy Irons verkörpert) steht hier im Mittelpunkt, sondern seine Lebensphilosophie.

Dramaturgisch lose aneinandergefügt werden Gleichnisse aus dem Matthäus-Evangelium erzählt, angereichert mit Strophenliedern und einer Handvoll Lebensfreude samt der unverhohlenen Arg- und Ziellosigkeit eines Kinderspiels. All das wird zusammengehalten von zehn multitalentierten Darstellern, die mit Pantomime, Slapstick, Steptanz das Wort Gottes verkünden. In der Mitte steht Jesus mit bunter Clown-Nase und flippigem Superman-T-Shirt. Die an Gospels erinnernde Musik stammt abermals von Stephen Schwartz.

Dank der schlichten Dramaturgie des Stückes avancierte es rasch zu einem Favoriten von Schul- und Tourneetheatergruppen, so daß es auch in Österreich oft und immer wieder gerne inszeniert wird. Herausragende Arbeiten lieferten diesbezüglich die religiöse Theatergruppe „Bretterhaus“ in Wien und eine Aufführung des Stadttheaters Baden, die - angereichert mit diversen Wiener Musicalstars - ebenfalls unter Anna Vaughans kreative Fittiche genommen wurde.

Bibeladaptionen gelten von jeher als eine umstrittene Sache, daß das Genre Musical auf diesem Gebiet von banal bis kontroversell auch einiges zu bieten hat, wurde in den letzten zwanzig Jahren wiederholt bewiesen.

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