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Vor dem Bildschirm
ZUERST muß festgestellt werden, daß sich in letzter Zeit -abgesehen von Theaterübertragungen — die Programmschwerpunkte immer mehr auf Produktionen aus dem Ausland verlagern. Es ist natürlich grundsätzlich nichts dagegen einzuwenden, wenn wir gute Programme aus dem Ausland zu sehen bekommen, aber es wäre doch bedenklich, wenn sich die Eigenproduktionen des Österreichischen Fernsehens auf „Sing mit mir — spiel mit mir“ beschränkten.
VON DEN BREGENZER FESTSPIELEN sah man Rossinis komische Oper „Dielt alienerininAlgie r“. Leider war das optische Geschehen für den Bildschirm nicht immer sehr ergiebig, was durch die manchmal recht unbeholfene Kameraführung noch unterstrichen wurde. Dann blieb für diejenigen Fernsehzuschauer, die der Bregenzer Festspielsprache nicht mächtig sind, nur die einschmeichelnde Musik. Dirigent der Aufführung war Vittorio Gui, Regie führte Carlo Maestrini, die Inszenierung besorgte Marcello Cortis. Die Bildregie hatte Hermann Lanske.
AUS SALZBURG kam die großartige Festspielaufführung des „Lumpazivagabundus“ von Johann Nepomuk Nestroy. Unter der Regie von Leopold Lindtberg spielte ein großes Ensemble namhafter Darsteller. Die musikalische Seite betreute in vorzüglicher Weise Georg Kreisler. Unter der Bildregie von Erich Neuberg wurde die Aufführung auch auf dem Bildschirm zu einem „Festspiel“.
EIN MUSTERBEISPIEL für einen Fernsehfilm lieferte die Bavaria-Atelier-Gesellschaft mit dem heiteren Lehrstück „Liebe, und wie man sie heilt“ von Thornton Wilder. Hier stimmte alles zusammen: Die vorzüglichen Darsteller (Tatjana Sais, Alwy Becker, Karl Bockx, Andreas Blum), das Szenenbild von Ulrich Elsässer, die aus der Handlung selbst erwachsende, vortrefflich gewählte Musikuntermalung von Wilfried Schröpf er (der als Pianist eine kleine, aber eindrucksvolle Charakterstudie bot) und die ganz vorzügliche, fernsehgemäße Gestaltung (Regie: Hans Dieter Schwarze) s,chufen zusammen ein Kammerspiel von einer Dichtheit der Atmosphäre, wie wir sie im Fernsehen noch selten erlebt haben.
THORNTON WILDER wurde, so hat es den Anschein, überhaupt vom Deutschen Fernsehen entdeckt: Die dritte Wilder-Inszenierung innerhalb von fünf Wochen (über „Unsere kleine Stadt“ wurde bereits letzthin berichtet) war der Bavaria-Fem-sehfilm, „Königinnen von Frankreich“. Hans Dieter Schwarze hat mit sehr viel Gefühl für die bildmäßige Wirkung dieses Spiel um die menschliche Eitelkeit und die Welt des Scheins inszeniert. Er wurde dabei von Max Noack, holde Bräuner, Lina Carstens, Ida Ehre und anderen ebenso unterstützt wie durch das Szenenbild von Ulrich Elsässer.
EIN ROMAN von Alexander Lemel-Holenia lag dem Fernsehspiel von Oliver Storz, „] a c k Mortimer“, zugrunde, s Michael Kchlmann hatte es mit Ingrid van Bergen, Hertha Marlin, Gunther Malzacher und anderen als Fernsehfilm der Bavaria inszeniert und damit einen äußerst spannenden Kriminalfilm ge-schaffen, der nicht die Suche nach dem Täter, sondern die Tat selbst r.um Gegenstand hatte, die zugleich den Rahmen für eine psychologische Studie abgab.
EINEN BEZAUBERNDEN ABEND bescherte uns das Deutsche Fernsehen (Westdeutscher Rundfunk) mit dem Zweipersonenstück von Manfried Rössner: „Karl III. und Anna von Österreich“. Gerlinde Locker und Robert Graf waren die idealen Verkörperungen für die beiden liebenswerten, jungen Leute mit den pompösen Spitznamen. Die — oft recht problematischen — lokalen Sprachverfärbungen waren in wohltuender Weise durch einige kleine, gelegentlich aufgesetzte Akzente ersetzt. Dieter Reinecke hatte ein dem Charme des Stückes und der Aufführung entsprechendes Szenenbild und Peter Wehle eine ebenso passende Musik geschaffen. Kurt Wilhelm bewies als Regisseur wieder einmal, daß er nicht nur mit Playback und großen Szenen umzugehen weiß.
WENIG ANREGEND war der Bericht über den in Wien abgehaltenen 24. Internationalen Amateurfilmwettbewerb. Schon der Titel „W er knipst, hat mehr vom Leben — wer f i l m t, k a t das Leben selb st“ war nicht sehr glücklich gewählt. Lange einleitende Reden und Gespräche, ein im gebräuchlichen Sinne des Wortes recht amateurmäßiger Filmbericht über die Kongreßveranstaltungen und eine keineswegs repräsentative Auswahl aus den eingereichten Filmen: Damit ist weder der Amateurfilmbewegung noch dem Fernsehzuschauer gedient.
NICHT ERSPART BLEIBT UNS nach wie vor die „musikalische Spiel-Show“ „Sing mit mir — spiel mit mir“. Wenn auch das Lächerlichmachen des Menschen nicht mehr den Hauptspaß bildet, wie im Vorläufer dieser Sendereihe, so zeigt gerade die ständige Wiederholung der immer gleichen „Spiele“, wie läppisch sie sind, und die zu gewinnenden Preise stehen in keinem Verhältnis zu der zu erbringenden Leistung-Sicher ist es eine wunderbare Anregung für den Arbeitseifer der Jugend, immer wieder zu sehen, wie leicht man ohne Arbeit — nur mit ein wenig Glück — viel Geld „verdienen“ kann. Die Behauptung, daß wir nichts Besseres in dieser Programmsparte zu bieten haben, ist kein Argument. Anscheinend verfällt man auch beim Österreichischen Fernsehen in den Fehler, den „rasselnden Leerlauf eines Lou van Burg“ (dieser Ausdruck stammt von dem Schweizer Autor Guido Frei) mit Tempo zu verwechseln. Dabei würden wir gar nicht so sehr das Tempo brauchen, dafür aber mehr Niveau. Tempo und seichteste Unterhaltung gibt es außerhalb des Fernsehens mehr als genug.
NICHT NUR EINE EINMALIGE SENSATION war der weltweite Programmaitstausch mittels des ersten Fernsehsatelliten. Die Einschaltung aktueller Filmberichte aus Übersee, die mittels des Telstar übertragen wurden, in die Sendung „Z eit Im B i 1 d“ beweist es. Hier zeichnen sich bereits Möglichkeiten ab, die schon in naher Zukunft außerordentliche Bedeutung erlangen können.
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