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Claus Peymanns hat sich für seine vermutlich letzte Inszenierung am Wiener Akademietheater den absurden Klassiker "Die Stühle" von Eugène Ionesco vorgenommen. Leander Hausmann assistierte dem kurzfristig erkrankten 81-Jährigen beinahe auf kongeniale Weise.

"Die Stühle", das der nach Paris exilierte rumänische Dramatiker 1952 schrieb, ist ein immerwährendes Zukunftsstück. Denn die 'tragische Farce' erzählt vom Endspiel zweier Hochbetagter, handelt also davon, was die Zukunft eines jeden Zuschauers ist. "Die Alte" und "Der Alte" bewohnen einen einsamen Turm inmitten eines Sees und erzählen sich in einem allabendlichen Erinnerungsritual völlig unsinnige, aber tiefgründige Geschichten aus ihrem Leben. Während sie auf eine illustre Gästeschar und einen Redner warten, den der Alte eigens dazu eingeladen hat, um "hier und heute die ganze Welt durch eine Botschaft zu retten", ist von verlassenen Müttern, toten Kindern und von verpassten Karrieren die Rede. "Du bist so begabt, wenn du nur ein wenig mehr Ehrgeiz gehabt hättest", sagt sie ihm, dann hätte er es zum Chefkoch, Chefredakteur, Chefdirigenten usw. gebracht. Während sie ihn für einen Marschall hält, glaubt er, nur für einen Hausmarschall zu taugen.

Gemäß Ionescos Wunsch sind die beiden Alten -er zählt 95, sie 94 Jahre -mit Jungen zu besetzen. In Wien wird diesem Wunsch mit Maria Happel und Michael Maertens entsprochen. Sie spielen das hinfällige Greisenpaar mit allen Ingredienzien gerontologischer Finessen. Schlurfend, trippelnd und hinkend, tapsig und zittrig, dazu kichernd und keifend veranstalten sie ein Liebestrauerlustspiel oder anders, das Fest eines Paares, das längst alles hinter sich hat, das ganze sinnlose Leben, aber daraus eine Freude, eine Lust und eine widerständige Laune zaubert. Denn als die Hausglocke endlich läutet, erweisen sich die Gäste, "Hunderte von Leuten", darunter eine schöne Dame, ein Oberst etc., bloß als eher beiläufig herbeifantasierte Phantome, unsichtbare Bestandteile eines kindlich-trotziges Spiels. Andauernd tragen die beiden Alten in einem irrwitzigen Reinund-Raus durch die viele Türen unendlich viele Stühle herein, unterhalten sich gestenreich mit den immer zahlreicheren Ankömmlingen, schäkern und poussieren, hadern und zanken mit ihnen. Als der Kaiser kommt, schwebt ein Stuhl mit einem roten Samtkissen darauf vom Bühnenhimmel herunter. Zuletzt tritt schließlich der Redner (Mavie Hörbiger) auf, der aber leider stumm ist. Statt die Rettung der Welt ist seinen Lippen nur Gestammel zu entnehmen. Was das heitere, rührende und auch versöhnliche Spiel bedeuten soll? Ionesco selbst meinte zu seinem absurden Theater einmal: Wie könnte ich, da mir die Welt unverständlich bleibt, mein eigenes Stück verstehen? Ich warte, dass man es mir erklärt." Also: Play it again, Claus.

Die Stühle Akademietheater, 25., 31. März, 21., 22. April

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