Festwochen - © Foto: Shaun Oelf

Wiener Festwochen: Embleme einer veränderten Welt

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Die Wiener Festwochen beweisen in ihrer diesjährigen Ausgabe, wie mit einem breiten Spektrum an Produktionen den drängenden Fragen der Gegenwart künstlerisch begegnet werden kann.

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Die Wiener Festwochen beweisen in ihrer diesjährigen Ausgabe, wie mit einem breiten Spektrum an Produktionen den drängenden Fragen der Gegenwart künstlerisch begegnet werden kann.

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Die Wiener Festwochen, die nach zwei Jahren Pandemie heuer endlich ein volles Programm anbieten können, platzieren das Theater inmitten der Gesellschaft. Sie fächern nicht nur ein breites Spektrum performativer Ausdrucksformen auf, was dem Publikum eine veränderte Wahrnehmungsbereitschaft abverlangt, auch inhaltlich zeigt sich beinahe jede Produktion als anschlussfähig an die drängenden Fragen aktueller gesellschaftlicher Auseinandersetzungen. Was macht Menschsein zwischen Digitalisierung, Vereinzelung und Gemeinschaft aus? Wie ist eine selbstbestimmte Identität möglich? Wie werden die sozial Benachteiligten und Vergessenen gehört?

Unter der Leitung von Christophe Slagmuylder sind die vertrauten Festwochennamen passé. Die Ausgabe 2022 präsentiert zahlreiche kleine, durchaus experimentelle Formate von hierzulande eher weniger bekannten Künstlern. Dennoch wird nicht auf die vermeintlich „großen“ textbasierten Theaterformen verzichtet.

So war vergangene Woche der portugiesische Regisseur und designierte künstlerische Leiter des Festivals in Avignon Tiago Rodrigues mit seiner umjubelten Inszenierung von Tschechows „Kirschgarten“ zu Gast. Obwohl wir den vorauseilenden Jubel nicht ganz nachvollziehen können, vermag die über weite Strecken leichtfüßige, was meint, eine von russischer Schwermut völlig freie Inszenierung mit einem für uns noch ungewohnten diversen Ensemble nachdenklich zu stimmen. In dem vielgespielten Klassiker von 1904 kehrt die verwitwete Adelige Ljubow Andrejewna nach fünf Jahren von Paris auf das Landgut in der russischen Provinz zurück, weil ihr verschwenderischer Lebensstil mit den Einkommensverhältnissen nicht aufrechtzuerhalten ist. Ganz im Gegenteil: Die von Isabelle Huppert gespielte Witwe feiert, als gäbe es kein Morgen. Sie verwirft unwirsch, weil in ihrer kindlichen Seele nicht sein kann, was nicht sein darf, den Vorschlag des vom Sohn eines ehemaligen Leibeigenen zum Millionär aufgestiegenen Lopachin, den Kirschgarten abzuholzen und dort stattdessen Datschen für Sommerfrischler zu errichten. Sie vermag die Zeichen der Zeit zwar zu deuten, nicht aber den Erkenntnissen entsprechende Handlungen folgen zu lassen. Wem kommt das nicht bekannt vor!

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