Pferde Akademietheater - © Foto: Reinhard Werner

Zwischen Pop- und Hochkultur

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Man ahnt, wie es läuft, und doch verursacht die Offenlegung einen Schock. Nein, es ist nicht von Ibiza die Rede, sondern von der Illusionsmaschinerie Theater. René Pollesch hat es sich zur Aufgabe gemacht, das Spiel mit der Täuschung zu entlarven, und dabei eine ganz eigene, vergnügliche Form gefunden. Zwischen Pop- und Hochkultur bewegt sich die Burg-Festwochen-Koproduktion " Deponie Highfield". Die Ausgangsbasis bildet der Western "Die glorreichen Sieben". Mit der bekannten Filmmusik wird der Abend eröffnet, auf der als Green Screen eingerichteten Bühne (Katrin Brack) repräsentieren Pferde-Attrappen die glorreichen Sieben. Pollesch persifliert die Frage nach alternativen Sichtweisen: Sind die Pferde die Protagonisten? Sind sie wirklich oder nur Staffage? Immerhin schnauben sie aus ihren Nüstern, schlagen mit dem Schweif und legen die Ohren an. "Können Tiere heute wirklich mehr als früher?", fragt die großartige Kathrin Angerer, die sich auf ihr YouTube-Wissen bezieht. Anekdoten, Halb-und repräsentatives Wissen konkurrenzieren miteinander. Caroline Peters, die sich als hochqualifizierte Klimatologin vorstellt, verliert mehr als einmal die Orientierung in dieser speziellen Theaterform. Sie verabschiedet das Theater als Repräsentationsort und beklagt dies zugleich: "Wie schön war das bei Tschechow, wo die Zuschauer noch selber raten durften, worum es geht."

Wann und wie wird etwas Kult? Das Burgtheater jedenfalls lebt von seinem Mythos, ebenso die Spanische Hofreitschule. Da taucht plötzlich der Verdacht auf, dass es sich bei den Bühnen-Pferden um Lipizzaner handelt. Egal, gewiss stammen die weltberühmten Pferde aus "L'Ibiza", behauptet Angerer und etabliert eines der Wortspiele. Wie auf der politischen Bühne hält sie ihren Mitspielerinnen den Steigbügel am Weg nach oben, wo sie dann glauben, fest im Sattel zu sitzen. Dass sie dabei in die falsche Richtung schauen, ist egal, Hauptsache, sie finden ihre "Koks-Line" am weißen Pferdefell.

Wie stets verwebt Pollesch Wirklichkeit und Spiel, diesmal aber wirken die Übergänge stockend. Sind die Pferde scheu geworden? Es wird viel geredet und wenig agiert, auch wenn sich vor allem Martin Wuttke einiges einfallen lässt. Steigt er vom Pferd ab, humpelt er o-beinig über die Bühne, echter Repräsentant eines Western-Helden. Die Akteurinnen üben sich im Kunstreiten, Zuhören und Vergessen. Trotz manch mühsamer Momente ist es eine Freude, ihnen dabei zuzusehen. Der Applaus im Akademietheater war schon lange nicht mehr so zustimmend wie bei dieser letzten Premiere unter Karin Bergmanns Direktion.

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