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Die Selbstmordrate alternder Menschen steigt

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Vom 21. bis zum 25. Februar fand in Graz ein internationaler medizinischer Kongreß über die Probleme des alternden Menschen statt. Von dort kam die alarmierende Nachricht, daß die Selbstmordrate alter Menschen zuletzt stark zugenommen habe, bei Männern um 100 Prozent, bei Frauen um 40 Prozent. Was steht dahinter, was zeigt das an?

Viele werden mit den Problemen, die eine höhere Lebenserwartung mit sich bringt, nicht fertig. Es bedrückt, alleingelassen zu sein, nicht mehr gebraucht, sondern nur geduldet, vielleicht sogar abgeschoben zu werden. In einer Leistungsgesellschaft zählt vor allem der kalkulierbare Beitrag zum Sozialprodukt.

Dazu kommt die Angst vor zunehmenden gesundheitlichen Belastungen und wachsender Hilfsbedürftigkeit. In der modernen Gesellschaft scheint Gesundheit Hauptkriterium für Lebensqualität zu sein. Und sich dauernd helfen lassen zu müssen empfinden manche für entwürdigend. Eine rein innerweltliche Philosophie der Hoffnung, daß also noch immer etwas Erstrebenswertes bevorsteht, wird in ihrer Begrenztheit entlarvt.

Gottverbundenheit und in diesem Sinn Religiosität schwindet zusehends in der Gesellschaft. Alte Menschen werden aber nicht von sich aus religiöser, sondern der Glaube trägt im Alter nur, wenn er auch vorher schon für das Leben Die steigende Selbstmordrate Į ist eine Anklage an die Ge-’ Seilschaft. Was hält sie für lebenswert? Wie solidarisch ist sie mit alten, besonders hilfsbedürftigen Menschen?

Respektiert sie die Würde jedes einzelnen Menschen, ohne Ansehen von Rang und Stand, ohne Ansehen physischer und psychischer Verfaßt-heit? Gerät eine Gesellschaft, die mit dem Gedanken der Euthanasie „spielt", nicht in Verdacht, unter dem Vorwand von „Mitleid" sich aus der Verantwortung stehlen zu wollen?

Die steigende Selbstmordrate ist Herausforderung für uns Christen. Warum gelingt es uns nicht, bessere Hilfen für die letzte, auch leidvolle Lebensphase anzubieten? Wie glaubwürdig ist unsere Botschaft vom Kreuz, das durch die Auferstehung besiegt wurde? Wie können wir Hoffnung geben, die über den so schmerzhch erlebten Verfall leiblicher und geistiger Kräfte hinausreicht?

Die steigende Selbstmordrate alter Menschen darf uns nicht mehr zur Ruhe kommen lassen.

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