Sokrates - © Bild: iStock/clu (Bildbearbeitung: Rainer Messerklinger)

Philosophische Praxis: Freigeistige Räume

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Die Philosophische Praxis ist mittlerweile auch in Österreich angekommen. Doch rund um dieses neue Gewerbe gibt es noch einige Missverständnisse aufzuklären.

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Die Philosophische Praxis ist mittlerweile auch in Österreich angekommen. Doch rund um dieses neue Gewerbe gibt es noch einige Missverständnisse aufzuklären.

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Die Philosophen hätten die Welt nur interpretiert, so Karl Marx: Es käme aber darauf an, sie zu verändern. Das ist eine spezielle Variante des uralten Vorurteils von der Philosophie als „unpraktischer“, lebensfremder Disziplin. Schon in der Antike kursierte die Anekdote, dass der Philosoph Thales von Milet so in die Beobachtung der Sterne vertieft gewesen sei, dass er in einen Brunnen fiel. Also musste er sich den Spott seiner thrakischen Magd gefallen lassen, dass es wohl klüger wäre, sich um die naheliegenden Dinge zu kümmern, statt um den Lauf der Gestirne. Doch Aristoteles zufolge gelang es Thales, durch seine Beobachtungen eine besonders reiche Olivenernte vorherzusehen. Und so mietete er alle erreichbaren Ölpressen und verdiente an seinem Monopol ein stattliches Sümmchen. Wenn diese Anekdote erzählt wird, dann wird der unlösbare Zusammenhang zwischen Denken und davon geleitetem praktischen Handeln meist ignoriert. Der Schwerpunkt liegt im ersten Teil – das Publikum nimmt eher den Standpunkt der thrakischen Magd ein.

1982 gründete der damals 35-jährige Gerd Achenbach die „Internationale Gesellschaft für Philosophische Praxis“ und institutionalisierte damit im deutschen Sprachraum einen neuen helfenden Beruf. Von vielen als Bestandteil einer neoliberalen Selbstperfektionierung unter dem Motto „rent a philosopher“ kritisiert, hat sich die neue Methode der „Sorge um sich selbst“ durchgesetzt. Auch in Österreich ist die Zahl der privat oder in einem postgradualen universitären Lehrgang Ausgebildeten mittlerweile dreistellig. Doch rund um dieses neue Gewerbe existiert ein Informationsdefizit. Manche Aktivitäten – Lesezirkel, Diskussionsgruppen oder philosophische Wanderungen – sprechen für sich. Aber das Kernstück dieses im Gespräch praktizierten Berufs ist die Begleitung von Menschen und Institutionen in angestrebten oder erlittenen Veränderungssituationen. Gerade weil es in der Klientel und ihrer Problematik eine Schnittfläche mit Psychotherapie, Coaching, Mediation und Lebensberatung gibt, stellt sich die berechtigte Frage, wo das Spezielle dieser neuen Technik liegt. Ist es nicht einfach „Psychotherapie light“? Die Praktische Philosophie spricht mit vielen Zungen, keiner ist berechtigt, in ihrem Namen zu sprechen – auch der Autor dieses Artikels nicht.

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