6842140-1975_50_02.jpg
Digital In Arbeit

0,5 Promille im Kommen?

Werbung
Werbung
Werbung

Zugegeben, einer der bedeutendsten österreichischen Dichter des zwanzigsten Jahrhunderts, Joseph Roth, konnte Ohne Alkohol nicht schreiben. Aber er hatte kein Auto.

Ein Flugkapitän einer renommierten Airline, der am nächsten Mittag starten soll und am Abend vorher auch nur über einem Glas Bier erwischt wird, ist seinen Job los. Sehr Wahrscheinlich, ja sicher spielt diese strenge Bestimmung als Ursache mit, wenn der Luftverkehr mit Linienflugzeugen um so vieles sicherer ist als der Straßenverkehr. Denn in der Bundesrepublik etwa ist an jedem fünften tödlichen Verkehrsunfall ein alkoholisierter Lenker beteiligt, österreichische Statistiken kommen nur auf zehn Prozent — wobei allerdings hierzulande mit einer sehr viel höheren Dunkelziffer zu rechnen sein dürfte.

Franz Robert Billisich, dem schon eine aufschlußreiche Dokumentation über den Effekt des Anschnallens zu verdanken ist, schrieb, wiederum für den ARBO, ein Kompendium der wesentlichen empirischen Untersuchungen und Expertenmeinungen zum Thema Alkohol am Steuer. Und überzeugt dabei auch so manchen, der gelegentlich ein Viertel trinkt und nachher noch fährt, von der Wichtigkeit einer 0,5-Promille-Grenze. Denn die 0,8 Promille, die hierzulande noch immer als jene Obergrenze gelten, von der ab in jedem Fall Fahruntüchtigkeit anzunehmen ist, bedeuten in einem eindrucksvollen internationalen Gleich-klang der Statistiken zumindest vierfaches Risiko.

Dabei kam die auf Grund von 7000 Unfallberichten und 12.000 Lenkeruntersuchungen erarbeitete, amerikanische „Grand-Rapids-Studie“ zu verblüffend ähnlichen Resultaten wie ein Test des Kuratoriums für Verkehrssicherheit in Zusammenarbeit mit dem ORF: Ein Viertelliter Wein an einem Heurigenabend ist noch unproblematisch, mit dem zweiten Viertel beginnt die Gefahr. Bereits 0,6 Promille bedeuten deutliche Verschlechterung der Fahrtüchtigkeit.

Nur 11 Prozent aller Lenker fahren alkoholisiert — verursachen aber 20 Prozent aller Unfälle. Nur 3 Prozent aller Autofahrer, die jeweils unterwegs sind, haben mehr als 0,5 Promille Alkohol im Blut, aber sie verursachen bereits 15 Prozent aller Unfälle. Ein Prozent aller Lenker fährt mit mehr als einem Promille — und verursacht nahezu 10 (!) Prozent aller Unfälle. Nur 0,15 Prozent fahren mit mehr als 1,5 Promille. Ihr Anteil an den Unfällen: 6 Prozent!

Lediglich bei 0,2 Promille Blutalkohol ist eine Unterrepräsentie-rung der Fahrer am Unfallgeschehen feststellbar. Was darauf rück-führbar sein könnte, daß Leute mit diesem Blutalkoholwert zwar etwas schlechter, aber auch viel vorsichtiger fahren. Ab 0,4 Promille steigt das Risiko jedenfalls dramatisch.

Eine eindrucksvolle und seriöse Untersuchung. Man darf sich der Forderung des ARBO anschließen. In der Bundesrepublik hat die Herabsetzung der Promillegrenze von 1,5 auf 0,8 in einem Jahr mindestens 600 Menschenleben gerettet. In Österreich rechnete der Gerichts-mediziner Prof. Dr. Holczabek aus, daß die Ersteinführung der Promillegrenze von 0,8 im Jahre 1968 bisher etwa 900 Menschenleben gerettet hat.

Kein Tropfen Alkohol — das mag schwer sein. Aber ein Viertel Wein oder ein kleiner Cognac sollten uns genügen, wenn wir noch fahren.

Nicht nur Maria Theresia

Wunderliches kann man in der Hochschulpolitik erleben. War es doch der ach so soziale VSStÖ, der bei der letzten Zentralausschußsitzung, als die sozialen Fragen behandelt wurden, durch eine Vertretung von zwei von zehn Mandataren glänzte. Der RFS wiederum, der sich bei Beginn der Sitzung wieder einmal durch besonders inkonsequentes Abstimmungsverhalten auszeichnete (man stimmt mitunter auch gegen die Anträge des eigenen Vorsitzenden), verschwand geschlossen nach Verlesung eines Briefes der Kaiserin Maria Theresia an Marie Antoinette, der beweisen sollte, daß die Österreicher eben doch Deutsche seien. Dieser Ausmarsch und die dadurch entstandene absolute Mehrheit der ÖSU machte es der JES unmöglich, den Beschluß einer ÖSU-Sozialplattform zu verhindern, von der einige Passagen einem Parteiprogramm Olof Palmes entnommen sein könnten. Die ÖSU schoß dann den größten Vogel ab. Als ein JES-Redner ihr dieses Sozialprogramm mit dam Bemerken vorhielt, die ÖSU sei doch die Hochschulorganisation der ÖVP oder versuche zumindest, diesen Eindruck hervorzurufen, distanzierte sich die ganze ÖSU höhnisch johlend von der ÖVP und ihrer Politik. Solches nachzulesen im Sitzungsprotokoll. Nicht nur Maria Theresia, auch die Kärntnerstraße wird sich wundern...

Peppone redivivus

Peppone ist wiederauferstanden in Österreich. Mit stolzgeschwellter Brust herrscht er über die verträumte Stadt am Rande des Wienerwaldes, die bei den letzten Gemeinderatswahlen schamhaft errötet ist, und sucht, wie er auch Don Camino in den Griff bekäme.

Zuerst meinte er, es stünde dem wortgewaltigen Schwarzrock nicht zu, in seiner Kirche zur Fristenlösung Stellung zu nehmen. Er erntete nur ein mitleidiges Lächeln ob dieser Einmischung. Dann nahte der Advent und mit ihm das traditionelle Adventsingen des Kirchenchores, der mit alten Liedern aus dem Stadthaussaal über Lautsprecher den Menschen das Kommen des Erlösers mitteilen wollte. Dazwischen die Predigt Don Camillos, die in wohlgesetzter Prosa dasselbe verkünden sollte. Aber Peppone wollte es ganz genau wissen — und vorher schon —, ob die Botschaft auch der Würde des Stadtsaales entspräche. Er forderte das Tonband an, auf dem die Feier schon gespeichert war — worauf Don Camillo seine Predigt absagte. Denn er läßt sich nicht zensurieren.

Immerhin handelte Peppone nach hohem Vorbild. Hatte nicht erst vor wenigen Tagen ein namhaftes Mitglied seines Zentralkomitees, pardon, seiner Regierung, erklärt, man könne nicht dulden, daß Untergebene mit dem Vorwurf der Gesetzesverletzung in die Zeitungen gingen?

Das Ganze spielt in Mödling bei Wien. Zwischen einem Bürgermeister und einem Pfarrer. 1975.

Was bleibt, ist Unbehagen

Ein Prozeß wurde auf unbestimmte Zeit vertagt. Es ging um Steuerhinterziehung — ob der Verdacht zu Recht besteht, wird das Urteil eines unabhängigen österreichischen Gerichtes erweisen.

Trotzdem hinterließ diese Verhandlung in einem noch nicht beendeten Prozeß ein ungutes Gefühl. Denn unwidersprochen und unkommentiert bleibt die Bemerkung des Vorsitzenden im Räume hängen, in dem — großen und renommierten — Betrieb, um den es ging, habe man offenbar geglaubt, sich auf „jenen Herrn vom Finanzamt des ersten Bezirks“ verlassen zu können. Daß dieser Finanzbeamte gegen Honorar für erwähnte Firma beratend tätig gewesen sein soll, kam nur so am Rande zur Sprache.

Und hinterließ deshalb ein ungutes Gefühl, weil es ja eigentlich nichts mit dem eigentlichen Prozeßinhalt zu tun hat. Denn jener Finanzbeamte ist ja weit davon entfernt, angeklagt zu sein. So weit entfernt wie der Staatsbürger von jeder Information, die ihm eine Urteilsbildung darüber gestatten würde, ob hier ein weiterer disziplinar- oder strafrechtlicher Konsequenzen bedürftiger Fall vorliegt.

Um es ganz deutlich zu sagen: Was einmal angedeutet wurde, muß auch ausgesprochen werden. Wenn auch nicht im Rahmen eines Verfahrens, In dem es ja um andere Dinge geht. In geeigneter Form. Aber unbedingt

Zuflucht Kunstwert

Widersprüchig wie die konjunkturelle Situation präsentiert sich der Kunstmarkt — in Österreich wie anderswo. Genau betrachtet nämlich als ein Markt, der dem Käufer wie dem Verkäufer nichts mehr schenkt. Denn im Zeichen einer Wirtschaftskrise, die nicht auf Geldmangel, sondern auf die Kaufzurückhaltung breitester Kreise zurückzuführen ist, besteht nach wie vor heftige Nachfrage nach Objekten, die sich als Wertanlage zu bewähren versprechen — während vor allem der künstlich aufgeblähte Handel mit Druckgraphik Einbußen erlitt. Denn hier gilt in besonderem Maße, was die ganze Situation kennzeichnet: wer verkaufen muß, wer nicht warten kann, erlebt Enttäuschungen.

Die Weihnachtsauktion des Doro-theums, bei der ein — sehr gutes — Blatt von Kubin auf 220.000 Schilling und eine Zeichnung von Klimt auf 110.000 Schilling stieg, aber auch gute Preise für alte Meister bewiesen den Trend zu Sachwerten — allerdings solchen, auf die Verlaß ist. Eine Gurschner-Vase, die noch vor eineinhalb Jahren im Wiener Doro-theum für 8000 Schilling ersteigert und um 21.000 Schilling nach München verkauft wurde, erzielte vergangene Woche bei Ketterer in München bereits 13.000 DM — der Erwerber war wiederum ein Händler.

Am unteren Ende der Preisskala aber floriert das Geschäft heute dort, wo dank künstlerischer Qualität zu niedrigem Preis, bei der Druckgraphik oft nur wenige hundert Schilling, nichts schiefgehen kann, weil der Gebrauchswert, sprich die Freud' am aufgehängten Bild allein, den dafür ausgelegten Betrag rechtfertigt. Beispiele dafür die auf verschlungenen Wegen in eine Wiener Jugendstilgalerie geratenen, insgesamt hundert Lithos und Original-ölskizzen des vor Jahren verstorbenen Sezessionisten Professor Ernst Huber, die Skizzen in seiner typischen, raffiniert ästhetisierenden Art. Das Konvolut schmilzt denn auch rapid zusammen.

Keiner hört hin

Es entbehrt nicht der Komik, wie sich diverse Professoren und deren Adepten jetzt, zum fünfzigsten Todestag des Dichters, bemühen, den Wortvirtuosen Rainer Maria Rilke sozialkritisch umzufunktionieren. Sie fingen gleich mit dem „Malte Lau-rids Brigge“ an, in dem viel vom Elend der Großstadt die Rede ist. Daß es dem Dichter hier darum ging, mit der Sprache nachzuvoll-ziehen, was die großen französischen Maler mit der Farbe geleistet hatten, die Verklärung des Drecks nämlich und die Sublimierung des Sch^ckens, dafür fehlen ihnen, so scheint es, Auge und Ohr. Und es entbehrt nicht der Komik, wie diverse Professoren und deren Adepten sich bemühen, die erschröcklich „feudalistische*' Tatsache zu „entschuldigen“, daß es die Fürstin Marie Thum und Taxis-Hohenlohe war, die mit der sanften Entschlossenheit der großen Dame den seelisch verwirrten Rainer Maria Rilke auf die Terrasse von Duino hinausschickte, damit er das Größte, dessen er fähig war, die „Elegien“, beginne. Und ein wenig peinlich ist es ihnen auch, daß ein halbes Kind, die damals neunzehnjährige Erika Mitterer es war, die den sterbenden Dichter noch ganz zuletzt zu einem Briefwechsel in Versen veranläßte, handelt es sich doch hier um jene Erika Mitterer, die den FURCHE-Lesern wohlbekannt ist und die heute als große katholische Dichterin eigentlich Unperson zu sein hätte.

Triumph der Mittel

Im toleranten, humanistisch denkenden Holland kommt langsam, aber sicher Lynchstimmung gegen die Ambonesen auf. London wiederum verrammelt Hotelportale und Restaurantfenster mit Sandsäcken wie einst im Jahre 1941 und zeigt sich entschlossen, sich von „denen“, nämlich den IRA-Iren, nicht unterkriegen zu lassen.

Holland trägt schwere historische Schuld an den Ambonesen, die es einst als Elitetruppe seines Kolonialregimes eingesetzt und dann ohne jede Sicherung einer feindlichen

Umwelt überlassen hat. Aber der einzelne, durch die indonesische Herrschaft über seiner Insel gefährdete Ambonese konnte bisher wenigstens in Holland Zuflucht suchen. Jetzt wird die ambonesische Minderheit in Holland als Sicherheitsrisiko erkannt. Was ihr Dasein nicht erleichtern wird.

England trägt schwere historische Schuld am Zustand Irlands, dessen Verelendung und Zerrissenheit das tragische Erbe verfehlter britischer Politik ist. Aber der IRA-Terror hat eine friedliche Lösung des Ulster-Problems, sprich eine Emanzipation der katholischen Minderheit zur sozialen und wirtschaftlichen Gleichstellung und politischen Mitbestimmung, ferner gerückt, als sie je waren.

Lohn des Terrors, Lohn der Blutopfer, die er kostet: Längst nur noch die Beherrschung zugegebenermaßen unterdrückter Minderheiten durch die Terroristen — und der Armeen von Terroristen durch eine Füfarer-sohichte. Die Mittel triumphieren. Der Zweck ist tot. Terror mobilisiert Gegenwehr und nicht Einsicht

Nichts gewesen

Nachdem ein Dachverband westdeutscher Frauenverbände den Effekt des Jahres der Frau schlicht und einfach 'als „nicht vorhanden“ erklärte, zogen nun auch die weiblichen Arbeitskräfte der Brüsseler EG-Kommission Bilanz: Außer Spesen nichts gewesen.

Nach wie vor keine Aufstiegschancen für Frauen. Nach wie vor Beschäftigung hochqualifizierter Mitarbeiterinnen mit akademischen Diplomen in ,,typisch weiblichen Aufgabenbereichen“, sprich in den Vorzimmern von Männern. Nach wie vor die Erfahrung, Qualifikation sei in der Realität der Berufswelt, wie sie sich der Frau zeigt, „für die Katz“. Und nach wie vor viel zu wenige soziale Einrichtungen für berufstätige Mütter.

Nur drei von zehn EG-Mitarbeiterinnen finden ihre Arbeit „interessant“.

FURCHE-Navigator Vorschau
Werbung
Werbung
Werbung