6935063-1983_06_13.jpg

Erinnerung an 1683: Nicht wie bisher!

19451960198020002020

Ein angesehener Wissenschafter forderte eine Distanzierung des Katholikentags von 1683. Manche Planer wurden schwankend. Die FURCHE widerspricht den Ängstlichen entschieden.

19451960198020002020

Ein angesehener Wissenschafter forderte eine Distanzierung des Katholikentags von 1683. Manche Planer wurden schwankend. Die FURCHE widerspricht den Ängstlichen entschieden.

Werbung
Werbung
Werbung

Das Gedenken an die Ereignisse von 1683 wirft seine Schatten voraus. Die obligate Großausstellung ist in Vorbereitung. Hunderttausende Menschen werden in dieser Form mit Geschichte konfrontiert. Früher als sonst hat die Flut der Publikationen zum Anlaß des historischen Gedenkens eingesetzt. Es wird zweifellos ein gutes Geschäft. Wem könnten da Zweifel kommen, ob es für die Gegenwart von Bedeutung sei, in herkömmlicher Weise Geschichte zu betreiben? Auch im ORF laufen die Vorbereitungen zum Türkenjahr bereits groß an. Historisches Erinnern findet ein Massenpublikum wie kaum jemals zuvor.

Das zentrale Ereignis der Jubiläumsfeiern ist zweifellos der Papstbesuch zum Katholikentag. Ihm ist die Aufmerksamkeit der Weltöffentlichkeit sicher. Historisches Gedenken gewinnt hier eine eminent politische Dimension. Auch wenn es nicht beabsichtigt war, Parallelen zu 1683 zu ziehen, so legt die Konstellation es doch nahe, Geschichte in dieser Weise zu aktualisieren: Wenn der Papst aus Polen aus Anlaß des Katholikentags nach Wien kommt, wer denkt da nicht an das historische Bündnis zwischen Papst, Kaiser und Polenkönig, das 1683 in der Entscheidungsschlacht vor Wien zur Abwehr des „Feindes aus dem Osten“ und zur Befreiung der bedrohten Christenheit geführt hatte? Die Veranstalter des Katholikentags haben offenbar solche Parallelen angestrebt. Es bestand ja kein Zwang, diese Großveranstaltung des österreichischen Katholizismus in den erinnerungsreichen Septembertagen des Jubiläumsjahres anzusetzen. Die Terminwahl ist nicht zufällig. Sie drückt den Wunsch nach Identifikation aus.

So ist die Frage erlaubt, warum gerade die Identifikation mit diesem Ereignis gesucht wird. Auch andere Gedenktage hätten gewählt werden können — etwa die 200. Wiederkehr des Tages, an dem Kaiser Joseph II. das Toleranzpatent erließ. Die Koinzidenz von Katholikentag und Türkenjubiläum hat freilich schon Tradition … Wahrscheinlich kommt es auch bei den Jubiläumsfeiern von 1983 dazu, daß man sich auf die historische Sendung Österreich beruft, Bollwerk gegen den Osten zu sein. Wer solche geschichtlichen Parallelen zieht, soll klar sagen, was er meint. Antikommunismus muß sich von der Gegenwart her legitimieren …

Die Erinnerung an den Sieg über die Türken von 1683 war bei allen Jubiläumsfeiern der Vergangenheit stets mit einer stark militanten Note verbunden. Die Säkularfeier von 1783 wird in einer Publikation als Soldaten-Jubiläum charakterisiert. 1883 wurde eine große Ausstellung von Waffen und Trophäen veranstaltet. Die staatliche Türkenbefreiungsfeier von 1933 wurde „mit allem militärischen Gepränge“ abgehalten. Eine von Bundespräsident Miklas feierlich eröffnete Prinz-Eugen-Ausstellung betonte die soldatische Seite des Jubiläums. Die kämpferische Komponente des Gedenkens an 1683 wurde auch durch den Einfluß der Kirche nicht gemindert. Im Gegenteil - gerade die religiöse Tradition trug wesentlich zu einer Intensivierung dieser Komponente bei.

In diesem Zusammenhang ist vor allem auf die Verbindung der Türkenabwehr mit dem Kreuzzugsgedanken zu verweisen. Das Sendschreiben Papst Leos XIII. (1883) zur Säkularfeier von 1683 betont diese Kontinuität, indem es eine unmittelbare Linie von der Befreiung Jerusalems über die Seeschlacht bei Lepanto („der heilige Pius V. der Urheber eines höchst erfolgreichen Seekrieges“) zum Engagement Innozenz’ XI. für die antitürkische Allianz von 1683 zieht.

Bei den Feierlichkeiten des Katholikentags von 1933 wurde von mehreren Rednern die Kreuzzugstradition beschworen. Der „Osservatore Romano“ schrieb am 13. September 1933: „Die Schlacht von Wien ist das Beispiel des letzten Kreuzzuges. Alle christlichen Völker, die vertreten waren, zeigten, daß sie dies verstanden haben. Das ist noch immer eine Mission …” In einem übertragenen Sinn stellt sich schon durch seine Bezeichnung der „Rosenkranzsühnekreuzzug“ in diese Tradition. Bischof Rudolf Gräber von Regensburg meinte noch 1972, die Österreicher hätten sich in der russischen Besatzungszeit „darangemacht, mit dem Rosenkranz in der Hand die Rote Armee zu vertreiben“. Er meint: „Und so können wir die ganze Geschichte durchgehen. Immer wieder finden wir jenen Titel bewahrheitet, den Pius XII. der seligsten Jungfrau gab: „Siegerin in allen Schlachten Gottes … “

Die „Mutter vom Siege“ wurde in der Marienhymne des Katholikentags von 1933 gegen den „neuen Sturm“ angerufen, der von „osther gefährdet“. Bis ins 20. Jahrhundert herauf zieht sich so die Kontinuität einer von kämpferischen Zügen geprägten Marienverehrung. Für Kaiser und Päpste des 16. und 17. Jahrhunderts war es selbstverständlich, Maria als die Siegerin der zu ihren Gunsten ausgegangenen Schlachten zu sehen. Die Einführung des Rosenkranzfestes nach dem Seesieg von Lepanto und des Mariä Namen-Festes anläßlich der Türkenbefreiung 1683 sind bleibendes Zeugnis dieser Religiosität. Erstaunlich lange konnten sich solche Traditionen innerkirchlich halten.

Insgesamt steht mit dem Türkenjubiläum von 1983 die Identifikation mit einem kriegerischen Ereignis zur Debatte. In einer Zeit, in der Abrüstung und Friedenssicherung für viele Menschen das zentrale Anliegen darstellen, ist es von hoher Relevanz, in welcher Weise bei den Jubiläumsfeierlichkeiten der Problemkreis Krieg und Frieden thematisiert wird. Bei einem Katholikentag, der unter dem Motto „Hoffnung geben — Hoffnung leben“ steht, wird die Friedensthematik sicher behandelt werden müssen. Mit der historischen Dimension der Jubiläumsfeier ist sie nur dann vereinbar, wenn man sich nicht mit dem geschichtlichen Anlaß identifiziert, sondern sich von ihm distanziert.

Auszug aus einem umfangreichen Artikel des Ordinarius für Wirtschafts- und Sozialgeschichte in Wien in „Beiträgen zur historischen Sozialkunde" (4/1982).

Ein Thema. Viele Standpunkte. Im FURCHE-Navigator weiterlesen.

FURCHE-Navigator Vorschau
Werbung
Werbung
Werbung