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17 Milliarden ohne Paukenschlag

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Mit dem Schlagwort „beggar-my-neighbour“-Politik bezeichnet die britische ökonomin Joan Robinson die gängige Methode der verantwortlichen Wirtschaftsdnstanzen, die Schuld an einer prekären wirtschaftlichen Situation immer bei den anderen zü suchen: Regierung und Nationalbank klagen, daß die Inflation importiert sei; die Budgetpolitik klagt über eine zu expansive Geld-und Kreditausweitung; die Monetärsten sagen, es sei Aufgabe der Finanzpolitik, die Nachfrage einzudämmen; die Unternehmer ächzen unter der Last steigender Lohnkosten; die Gewerkschaften werfen den Unternehmern eine monopolistische (also wettbewerbslose) Preispolitik vor, und alle zusammen räsonieren darüber, daß die Konsumenten partout ihre Nachfrage nicht einschränken wollen und auf diese Weise der Inflation ständig neue Nahrung zuführen.

Wenigstens in einem Punkt sollte in Österreich die Suche nach den Hauptschuldigen an der Inflationsmisere gestoppt werden. So ist längst erwiesen, daß die Inflation in Österreich weitgehend „hausgemacht“ ist: Mit den Budgets für die Jahre 1971 bis 1974 wurde in einer langen Periode der ungebrochenen Hochkonjunktur so operiert, als gelte es, die heimische Wirtschaft im Sinne der 'Lehre von Keynes aus einer tiefen Depression herauszuführen. Statt die Ausgaben für Sozialleistungen, die Verwaltung, das Bundespersonal, die Investitionen, die Subventionen und die Repräsentation einzuschränken, wurden sie immer stärker ausgeweitet: So lagen in den Jahren 1971 bis 1973 die Zuwachsraten der Budgetausgaben um ein Drittel über den Zuwachsraten der Budgetausgaben vor 1970. Im ersten Quartal 1974 erhöhten sich die Bundesfoudgetausgaben gegenüber der Vergleichsperiode des Vorjahres gar um 19 Prozent. Dabei ist zu berücksichtigen, daß die inflationistischen Impulse über das Bundesbudget, das immerhin ein gutes Viertel des österreichischen Bruttosozialproduktes bewirtschaftet, hin-auswirken: nämlich auf das Verhalten der Finanzpolitik in den Ländern und Gemeinden.

Im letzten Stabilisierungsabkommen verpflichtete sich der Finanzminister, nun die Budgetpolitik des. Bundes stabilitätskonform zu gestalten und überdies die Budgets aller Gebietskörperschaften zu koordinieren.

Nun aber tickt eine Bombe, die den Glauben an die Ernsthaftigkeit dieser Beteuerung des Finanzministers von vornherein zerstören könnte, und wenig spricht dafür, daß sie rechtzeitig entschärft wird. Im Ministerrat wurde der budgetpoliti-sche Rahmen für das Jahr 1975 abgesteckt. Obwohl die Daten bis zur Einbringung des Bundesfoudgetge-setzes (Ende Oktober) nicht veröffentlicht werden dürfen, sind doch schon die ersten Eckwerte durchgesickert. Für das kommende Jahr dürfte Finanzminister Androsch ein Budget vorlegen, das Ausgaben in Höhe von rund 185 Milliarden Schilling und Einnahmen im Ausmaß von rund 168 Milliarden Schilling vorsieht. Bei den Budgetausgaben dürfte damit die Zuwachsrate um 16 Prozent über den für dieses Jahr präliminierten Budgetausgaben liegen. Damit werden auch im kommenden Jahr vom sogenannten „Sparbudget“ inflationistische Impulse auf die wirtschaftliche Entwicklung ausgehen, weil die Budgetausgaben um einiges stärker steigen als das nominelle Bruttosozialprodukt. Das Budgetdeflzit dürfte 1975 auf 17 Milliarden Schilling ansteigen, genau jene Höhe, die 1968 den damals neubestellten Finanzminister Koren veranlaßte, einen „Paukenschlag“ zu setzen. 1968 war freilich kein „großes“ Wahljahr, nun aber steht es bevor.

Die ungefähren Budgetausgaben für das Jahr 1975 und die Höhe des Budgetdeflzits zeigen, daß alle großen Worte über Ausgabendisziplin und Stabilität doch nur Gerede sind. 8500 zusätzliche Bundesbeamte, explosiv steigende Ausgaben für Gratisschulbüdher, Schulfreifahrten, Heiratsbeihilfen, Geburtenbeihilfen mögen aus wahltaktischen Gründen opportun sein, für die Wiederherstellung der wirtschaftlichen Stabilität in Österreich aber bilden sie eine unüberwindliphe Barriere.

Die einschneidende Kreditbremse hat zahlreiche Grenzunternehmer aus der wirtschaftlichen Laufbahn

geworfen, Eigenheimbauer bangen um die Kreditzuteilung und sind zur Zeit bei gleichzeitig explosiv wachsenden Baukosten zur Untätigkeit verdammt, der Staat sorgt für einen Inflationsausgleich der Geld- und Wertpapiersparer, um auf diese Weise den total deroutierten Kapitalmarkt wieder flott zu machen. Auf der monetären Ebene gilt heute

das „rien-ne-va-plus“ des Roulettes. Der Hauptbeitrag zur Stabilisierungspolitik wäre daher erst recht von der Budgetpolitik zu erbringen. Nach allem, was über das Budget 1975 verlautet, ist damit nicht zu rechnen. Das aber läßt die Hoffnung schwinden, daß 1975 die Inflationsrate unter 9 Prozent liegen wird.

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