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1948: Prag liegt westlich von Wien

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Nicht nur das Österreich vor und während des 2. Weltkrieges, auch die Nachkriegsgeschichte gilt es zu erhellen. Bei einem Historiker-Symposium in Wien wurde jetzt ein Dokument präsentiert, dessen Echtheit allerdings auch bezweifelt wird.

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Nicht nur das Österreich vor und während des 2. Weltkrieges, auch die Nachkriegsgeschichte gilt es zu erhellen. Bei einem Historiker-Symposium in Wien wurde jetzt ein Dokument präsentiert, dessen Echtheit allerdings auch bezweifelt wird.

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Kommunistische Putschpläne fallen in der Regel nicht in die Hände des Historikers. Der auf dieser Seite in Auszügen abgedruckte „Aktionsplan“ der österreichischen Kommunistischen Partei liegt im Pariser Militärarchiv Chateau de Vincennes: Ohne irgendwelche Hinweise darauf in anderen Dokumenten in einer Mappe mit Akten vom Oberkommandierenden der französischen Truppen, läßt sich dieser „Aktionsplan“ quellenkritisch sehr schwer absichern.

Nach den kommunistischen Machtübernahmen in Budapest

(Mai 1947) und Prag (Februar 1948), erscheint allerdings die Vorbereitung eines Putsches in Wien für den Historiker des Kalten Krieges nicht so ganz unwahrscheinlich. Im internationalen Krisenjahr 1948 wurde der Westen von den Sowjets wiederholt herausgefordert, am augenscheinlichsten in Berlin.

Der damalige österreichische Außenminister Karl Gruber deutete die exponierte geographische Lage Österreichs nach dem Prager Putsch einem englischen Gesprächspartner gegenüber so an, als er meinte: „Prag liegt westlich von Wien.“

Die im April 1948 beginnende Dauerkrise um Berlin hatte auch auf Wien ihre Auswirkungen — im April gab es partielle Blockaden der Donaumetropole. Der amerikanische Botschafter in Moskau,

Bedell Smith, meinte auf dem Höhepunkt der Berliner Blockade gegenüber Washington im Juli 1948, sollte Berlin westlicherseits geräumt werden, so „wäre das ein schlechtes Omen für die Leute in Wien, die die nächsten auf der Liste sein könnten“.

In den diplomatischen Archiven der drei Westmächte liegt eine Reihe von Akten, die von wiederholten Gerüchten („ru- mours“, „bruits“) über die Vorbereitungen eines kommunistischen Putschversuches in Österreich zeugen. Es wird aber auch immer wieder von den westlichen Beobachtern vermerkt, solche Gerüchte könnten von den Kommunisten zur Verunsicherung der Österreicher und ihrer westlichen Schutzmächte ausgestreut worden sein.

Im November 1948 (der Plan ist mit 15. November 1948 datiert) zeigte sich die Lage in Wien höchst angespannt. Der Ausschluß des Linksaußen und früheren Zentralsekretärs Erwin Scharf aus der SPÖ und die Entführung der hochgestellten ökonomin Margarethe Ottillinger erzeugte Unsicherheit und Nervosität. Solche Einschüchterungsmanöver waren auch den Budapester und Prager Machtübernahmen vorausgegangen.

Aber auch ein gefälschter Putschplan - dem Westen in die Hände gespielt — hätte eine wichtige Funktion erfüllen können.

Nach dem Prager Putsch stellten hohe amerikanische Militärs fest, Österreich verfüge über keine adäquaten Sicherheitskräfte, um nach Abzug der Besatzungstruppen einem hausgemachten kommunistischen Putschversuch Paroli bieten zu können. Das bedeutete im Klartext eine Verzögerung der Staatsvertragsverhandlungen im Frühjahr 1948.

Es könnte also wohl auch Österreicher gegeben haben, die mit ähnlichem Kalkül die westlichen Besatzungstruppen als Sicherheitsgarantie im Lande behalten wollten, um eine Prager Situation zu vermeiden. Was konnte da dem Westen die Gefahr in Österreich deutlicher vor Augen führen, als ein zugespielter kommunistischer Putschplan?

Dies alles bleibt vorläufig aber Spekulation. Trotzdem wäre in diesem Sinne auch ein fingierter Aktionsplan ein Schlüsseldokument für die österreichische Nachkriegsgeschichte.

Der Autor arbeitet derzeit an einer Dissertation mit dem Thema „Österreich in der internationalen Politik, 1945-1955“ an der amerikanischen Harvard-Universität.

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