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1976: Franzosen an die Macht!

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Zehn Jahre werden es im Oktober sein, daß 'Wieland Wagner gestorben ist. Aber nicht nur er ist tot, sondern auch seine Lichtzauberbilder und jener, der diese Visionen realisierte. Es war traurig, dies gerade aus dem Mund von Prof. Schäfer, dem ehemaligen Stuttgarter Intendanten, zu hören, für den Wieland Wagner die meisten seiner Inszenierungen gemacht hat.

1915 bis 1925 hatte es im Bayreuth eine Pause gegeben. 1933 geriet Wagners Erbe immer mehr in die Hände der Nationalsozialisten („Kriegsfestspiele“). Wieland hat es von diesem Odium befreit mit Hilfe eines „expressionistischen Modernismus“, der Heute in jeder Hinsicht passe' ist. Vor allem aber wirken diese Bilder leer ohne die von ihrem Schöpfer geführten Gestalten.

In den sechziger Jahren versuchte man eine gewisse Konkretisierung, auch Politisierung. Beides mißlang. Nun sind neue Regisseure, wie Jean-Claude Riber (Genf), Peter Lehmann, Götz Friedrich und andere um ein neues Wagner-Bild bemüht. Derzeit laufen nicht weniger als 40 Inszenierungen von Ring-Opern! Mode oder echte Herausforderung?

Darüber konnte man sich mit den genannten Regisseuren am zweiten Abend eines Symposions unterhalten, das von der österreichischen Gesellschaft für Musik veranstaltet wurde. — Hier berichtete auch Egon Voss über die auf 60 Bände geplante Richard-Wagner-Gesamtausgabe, deren erste bereits erschienen sind, und hier sprach Dietrich Mack als Herausgeber der Tagebücher Cosimas, deren erster Band im Sommer erscheinen wird, (Es ist nichts im üblichen Sinn Sensationelles zu erwarten, dagegen enthalten sie, neben minutiösen Aufzeichnungen aller Details in und um Bayreuth ein aufschlußreiches Kultur- und Zeitgemälde. Aber das Schicksal des Manuskripts bietet Stoff für einen Krimi, denn Siegfried Wagner, für den dieses Tagebuch ursprünglich bestimmt war, hat es nie gesehen!)

Natürlich war auch vom speziellen Bayreuther Aufführungsstil ausführlich die Rede. „Feierlich — getragen“: das schon, aber nicht unbedingt langsam. Und der Gesang, von Ausnahmen abgesehen, wird vom Orchester vornehmlich „begleitet“. Genauigkeit und Korrektheit waren Wagners oberste Forderungen. Ihnen sucht man auch heute zu entsprechen. Alles, was sich auf Wagners Person bezieht („Ein angenehmer . Mensch — das war er nicht“, hingegen „ein Pumpgenie“, nach Thomas Manns Worten) wischte Prof. Hans Mayer (Tübingen-Berlin) mit einer Geste vom Tisch und aus der Diskussion. Aber von seinem Nationalismus, seiner Deutschtümelei, seinem Antisemitismus und von Nietzsches „Ästhetisierung der Macht“ sind gefährliche Metastasen geblieben. Um so schärfer trat Prof. Mayer dann den Ausführungen von Peter Cosse entgegen, der ein freilich unzulängliches und zu persönlich gefärbtes, d. h. zu wenig fundiertes Bild von „100 Jahren Bayreuth“ zu geben versuchte.

Zum Jubiläum im Sommer dieses Jahres, da außer dem „Ring“ auch „Tristan“ und „Parsifal“ aufgeführt werden, wird man es also mit zwei Franzosen versuchen: mit Pierre Boulez (der ja nicht zum ersten Mal hier dirigiert) und Patrice Che“eau als Regisseur. Das wird nicht nur interessant, sondern auch sensationell — wie sich's für Neubayreuth gehört.

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