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1988 schon 140.000 Universitätshörer

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Im Mai sind 100.000 Studenten an den österreichischen Universitäten, Hochschulen und Akademien aufgerufen, ihre Vertreter für die nächsten Jahre zu wählen. Die Funktionäre der österreichischen Hochschülerschaft haben als Mitglieder wichtiger Kommissionen die Möglichkeit, den Zustand der Universitäten wesentlich mitzubestimmen. Angesichts dieser Tatsache kommt dem von Wissenschaftsministerin Hertha Firnberg im Herbst vorgelegten, aber im Parlament noch nicht behandelten Hochschulbericht besondere Bedeutung zu.

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Im Mai sind 100.000 Studenten an den österreichischen Universitäten, Hochschulen und Akademien aufgerufen, ihre Vertreter für die nächsten Jahre zu wählen. Die Funktionäre der österreichischen Hochschülerschaft haben als Mitglieder wichtiger Kommissionen die Möglichkeit, den Zustand der Universitäten wesentlich mitzubestimmen. Angesichts dieser Tatsache kommt dem von Wissenschaftsministerin Hertha Firnberg im Herbst vorgelegten, aber im Parlament noch nicht behandelten Hochschulbericht besondere Bedeutung zu.

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Das für das Wissenschaftsressort zuständige Regierungsmitglied hat seit dem Inkrafttreten des Allgemeinen Hochschulstudiengesetzes im Oktober 1966 dem Nationalrat mindestens alle drei Jahre einen Bericht über das Hochschulwesen, dessen Probleme und über mögliche Lösungsmöglichkeiten vorzulegen. Der „Hochschulbericht 1978“, der vierte seit 1966, versucht, nicht nur der gesetzlichen Aufgabe zu genügen, sondern auch eine kurz- und mittelfristige Prognose zu wagen.

Im Wintersemester 1970/71 studierten 53.847 junge Menschen an den Hochschulen, heuer wird bereits die 100.000-Grenze überschritten sein. Voriges Jahr war von den in Österreich lebenden 18- bis 26jährigen jeder elfte als ordentlicher Hörer an einer Hochschule inskribiert, vor sieben Jahren war es noch jeder achtzehnte. Im Herbst begannen ungefähr 14.000 junge Österreicher ein Hochschulstudium.

Angesichts dieser hohen Zahlen und der schon heute an manchen Fakultäten drückenden Raumnot wird der Hochschulbericht für die Tätigkeit des Bundes im Hochschulbereich für die nächsten Jahre weitgreifende Auswirkungen haben.

Der Grund für die hohen Studentenzahlen liegt nicht so sehr in den hohen Geburtenraten jener Studen-

tengenerationen, die jetzt in den ersten Semestern ihrer Universitätsausbildung stehen, sondern mehr noch in der steigenden „Büdungsbe-teiligung“ der jungen Menschen. 1970/71 begannen 7,7 Prozent des Altersjahrgangs zu studieren, 1977/78 schon 10,8 Prozent. Der Anteil der Maturanten jedoch, die zu studieren beginnen, bleibt ziemlich konstant. Er liegt bei ungefähr 50 Prozent: jeder zweite Absolvent einer höheren Schule beginnt ein Studium. Bei den traditionellen Mittelschultypen sind es sogar 73 Prozent, bei den „Berufsbildenden höheren Schulen“ (BHS), die ja eine abgeschlossene Berufs-ausbüdung vermitteln, immer noch 26 Prozent.

Die Zahl der Maturanten stieg zwischen 1970 und 1977 um 58 Prozent, die der Geburten in diesen Jahren

nur um 15 Prozent. Noch viel größer war die Zunahme der Hörer an den Hochschulen: an ordentlichen inländischen Erstinskribierten zählte man 1977 um 60 Prozent mehr als 1970, die Gesamtzahl aller ordentlichen inländischen' Inskribierten erhöhte sich sogar um 89 Prozent.

Ein zweites wesentliches Charakteristikum der Hochschullandschaft ist die Zunahme der durchschnittlichen Inskriptionsdauer, obwohl die durchschnittliche Studiendauer nur minimal zugenommen, in einigen technischen Studienrichtungen sowie in Medizin und Philosophie sogar etwas abgenommen hat. 1977/78 inskribierten neun Prozent aller jener Studenten weiter, die bereits einen Abschluß erreicht hatten. Ein Drittel von ihnen sind Dissertanten, die den Magistergrad erreicht hatten. Wer aber sind die anderen, wie ist die starke Steigerung der Zahl der Studenten in „hohen“ Semestern zu erklären?

Der Hochschulbericht spricht von den „Vorteüen des Studentenstatus“: der Wegfall der Hochschultaxen und der Ausbau staatlicher und privater Förderungsmaßnahmen für Studierende (Straßenbahnfreikarte, stark verbilligte Karten für Kulturveranstaltungen, kostenlose Beratungsdienste, verbüligte Reisen und viele Preisreduktionen im Ausland).

Zum Teil ist das sicherlich richtig. Aber eben nur zum Teil. Funktionäre der Hochschülerschaft stellen übereinstimmend fest, daß Doppelstudien - ihre Zahl versechsfachte sich seit 1970/71 -, längere Arbeit an Spe-zialprojekten und einige Semester dauernde Spezialisierungen auch und nicht zuletzt eine Folge der Schwierigkeiten darstellen, mit de-

nen junge Akademiker bei ihrer Postensuche zu kämpfen haben.

Viele Studenten wollen sich mit besseren Qualifikationen höhere Chancen erarbeiten. Andere inskribieren weiter, „nur so“: „Parken“ nennt man diese Erscheinung in der Bundesrepublik Deutschland. Auch Minister Firnberg argumentiert im Vorwort zum Hochschulbericht, daß die Politik des Offenhaltens der Universitäten neben der Hebung d^s Bildungsniveaus einen Beitrag zur Vermeidung von Jugendarbeitslosigkeit darstelle.

Die Maturantenschätzung des Hochschulberichtes, bis zum Beginn der achtziger Jahre enthält wenig Unsicherheitsfaktoren, man kennt ja schon die Schülerzahlen. Die Übertrittsrate von der Volksschule ins Gymnasium wird - entgegen allen anderen Trends - als fix angenommen; mit 20 Prozent dürfte bereits ein Grenzwert erreicht sein. Die Ubertrittsrate der Maturanten ist schon in den letzten Jahren ziemlich stabil geblieben und wird es wahrscheinlich auch bleiben, sofern es nicht mehr Posten für Jungakademiker oder mehr Studienlehrgänge außerhalb der Universitäten geben wird.

Lediglich die Ubertrittsrate männlicher Absolventen Höherer Technischer Lehranstalten wird weiter stei-

gen. Noch vor wenigen Jahren waren Schüler der vorletzten Klasse meist schon unter Vertrag, heute haben die Maturanten Schwierigkeiten, „irgendwo unterzukommen“. Eine Möglichkeit bleibt immer offen, wenn sie auch für maflche den letzten Ausweg darstellt: die Universität.

Bis Mitte der achtziger Jahre sind die Prognosen mit Zahlenmaterial fest untermauert. Aber wann kommt der Knick und wie verläuft er? Wann wird der Anteil der Studenten an der Wohnbevölkerung nicht mehr steigen, wann wird der „Pillen- und Ab-treibungsknick“ Auswirkungen auch auf die Studentenzahlen zeigen?

Die Vorschau bis zur Jahrtausendwende geht von der Annahme aus, daß die Inskriptionsdauer auf den Durchschnittswert von 1967 bis 1977 zurückgeht. Der Gipfel des Studentenberges wird 1988/89 mit 125.000 bis 140.000 Inskribierten erreicht worden sein.

Angesichts der dargestellten Tendenz zum Doppel- und Weiterstudieren aber erhebt sich die Frage nach dem Grund der Annahme einer rückläufigen Inskriptionsdauer. Erwarten die Autoren der Studien eine Gesamtänderung der Wirtschaftslage zu einem viel früheren Zeitpunkt als jenem, für den sie unter Umständen Möglichkeiten einer veränderten Arbeitsmarktlage erahnen lassen? Dieser Fall würde dann freilich den Studenten ein einziges und möglichst rasches Studium ohne Ergänzungsfächer oder Arbeiten im Ausland aufzwingen, weil auf jeden Posten bereits andere absolvierte Akademiker warten würden!

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