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„1991 hatnur 15 Tage"

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„Es liegt eine Klaue auf dem Land, die Bedrückung ist überall spürbar." Doris Kurz, von „Peace Brigades International", die soeben von einem Friedenseinsatz in Bagdad und an der irakisch-saudiarabischen Grenze nach Österreich zurückgekehrt ist (siehe FURCHE 1/ 91), gibt sich erschüttert über den Zustand des diktatorisch regierten Landes am Golf. Sie hat sich auf ihrem - vom Regime gestatteten -Weg durch das Zweistromland die Frage gestellt, ob diese Weltgegend, „die den Beginn unserer Kultur markiert", jetzt, der Punkt wird, von dem aus „alles zerstört wird".

Von diesem Friedenseinsatz ist man im österreichischenAußenamt nicht sehr angetan. Doris Kurz zur FURCHE: „Dabei hätte Österreich unwahrscheinliche Möglichkeiten, im Golfkonflikt politisch eine Vermittlerrolle zu spielen. Von der offiziellen Außenpolitik kommen aber nur die alten Denkklischees, daß ein militärisches Eingreifen die Lösung sei."

Die junge Friedensaktivistin spricht von den unterdrückten Menschen in den Straßen Bagdads, von deren heimlich ausgesprochenen Friedenswünschen, die so gar nicht zu den per Medien weltweit vermittelten Propagandaschreien für den Führer Saddam Hussein passen. Doris Kurz unterscheidet klar zwischen dem Saddam-System und der irakischen Bevölkerung. 30 Offiziere hätten bei der Kuweit-Invasion ein Mitmachen verweigert und seien deswegen von Saddams Schergen liquidiert worden. „Die Bevölkerung in Bagdad war uns gegenüber unheimlich scheu, es ging offenbar darum, nicht einmal andeutungsweise das auszudrücken, was sie bewegt - solche Angst herrscht in diesem Land." Die kleinen Gespräche am Rande - so Kurz - , rasch hingeworfene Bemerkungen, haben ihr zu erkennen gegeben, daß die Menschen im Irak mit dem Terror seines Herrschers nicht einverstanden seien. Als ein Friedensaktivist in Bagdad einen Kalender für 1991 kaufen wollte, habe ihn der Händler gefragt, wozu er diesen brauche: „1991 hatdochnur 15 Tage."

Die Benediktinerinnen im St.Raphaels Hospital in Bagdad, die auch eine Mädchenschule unterhat ten, werden von ihren Schülerinnen gefragt, wozu sie eigentlich noch den Unterricht besuchen sollten, da sie in wenigen Tagen bereits tot sein würden. Doris Kurz motiviert ihren nicht ungefährlichen Aufenthalt im Irak folgendermaßen: „Wenn soviel Geld, Menschen und Material für den Krieg eingesetzt wird, dann kann auch ich etwas für den Frieden einsetzen."

Mittlerweile denkt die österreichische Bundesregierung darüber nach, wie sich Österreich im Falle eines Golfkrieges verhalten sollte. Der Generalsekretär im Außenamt, Thomas Klestil, betonte in einem Gespräch, daß Österreich nicht beiseite stehen könne. Die UNO habe auch ein militärisches Vorgehen gegen einen „Störenfried der internationalen Rechtsordnung" beschlossen, was für Österreich bedeute, daß es sich dabei nicht um einen Krieg im herkömmlichen Sinn, sondern um eine Polizeiaktion handle.

Außenminister Alois Mock hat am Dienstag im Ministerrat die Entsendung einer Feldambulanz im Rahmen des Österreichischen Roten Kreuzes befürwortet, für die das Außenamt die Rahmenbedingungen und die finanziellen Grundlagen sicherstellen soll. Es gibt bereits Freiwillige, ist aus dem Außenamt zu hören, die im Rahmen dieser Aktion nach Saudi-Arabien gehen würden. Das Bundesheer soll dafür Zelte, Ambulanz und chirurgische Geräte für zwei Chirurgenteams zur Verfügung stellen, die unter der Flagge des Roten Kreuzes arbeiten sollen.

100 Millionen Schilling gehen von Österreich direkt oder indirekt über Weltbank, Internationalen Währungsfonds und Internationales Komitee des Roten Kreuzes an die Frontstaaten Türkei, Jordanien und Ägypten. Laut OECD-Einschätzung - so Klestil - müßte Österreich aber eine Milliarde Schilling als Hilfe im Falle eines Golf krieges leisten.

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