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2x Einstein
Der Nichtphysiker weiß, daß Albert Einstein unser Weltbild revolutioniert hat - der Rest ist Abstraktion. Kaum ein Lebenswerk während der ganzen Menschheitsgeschichte vereint so ungeheure Ausstrahlung mit so ungeheurer Exklusivität. Trotzdem ist die Standard-Biographie „Albert Einstein - Leben und Werk“ von Ronald W. Clark (nun auch als Taschenbuch) nicht nur ein seriöses, sondern auch ein äußerst kurzweiliges, anregendes Buch.
Denn Einstein war auch ein großer Schalk. Und zeitlebens in mancher Beziehung ein großes Kind. Und das Legendengestrüpp um ihn war schon zu seinen Lebzeiten undurchdringlich.
Vor hundert Jahren wurde er geboren. Mit neun Jahren konnte er noch nicht richtig sprechen, er war ein extremer Spätentwickler. „Der normale Erwachsene“, sagte er später selbst, „denkt nicht über die Raum-Zeit-Probleme nach. Alles, was darüber nachzudenken ist, hat er nach seiner Meinung bereits in der frühen Kindheit getan. Ich dagegen habe mich derart langsam entwickelt, daß ich erst anfing, mich über Raum und Zeit zu wundern, als ich bereits erwachsen war. Naturgemäß bin ich dann tiefer in die Problematik eingedrungen als ein gewöhnliches Kind.“
Mit 13 begann er Kant zu lesen, mit 16 flog er wegen störrischen Wesens aus der Schule und begann intensiv darüber nachzudenken, was ein Beobachter erleben würde, dem es gelänge, einen Lichtstrahl mit Lichtgeschwindigkeit zu verfolgen. Mit 26 veröffentlichte er als kleiner Angestellter des Berner Patentamtes - ohne akademischen Grad! - innerhalb eines Jahres vier in Isolation von der wissenschaftlichen Welt geschriebene kurze Arbeiten. Jede davon hätte ihm, auch wenn er weiter nichts mehr veröffentlicht hätte, einen Platz in der Geschichte der Wisssenschaft gesichert. Der Öffentlichkeit blieb er noch lange unbekannt, aber die Fachwelt horchte auf. Wenige Wochen nach Erscheinen referiert Max Planck über Einsteins „Elektrodynamik bewegter Körper“, Professor Witkowski sagt zu Professor Loria „Ein neuer Koperni-kus ist geboren!“, Loria macht Max Born auf Einsteins Arbeit aufmerksam, Born liest sie und wertet sie als „Offenbarung“.
Clark arbeitet das Widersprüchliche in . Einsteins Charakter heraus, der Geist seiner Biographie ist nicht der einer kritiklosen
Photo: FURCHE
Verehrung. Er hütet sich mit gutem Grund, alles für bare Münze zu nehmen, was Einstein über Einstein gesagt hat, denn dieser hatte ein phänomenales wissenschaftliches Gedächtnis, erinnerte sich aber oft nur sehr ungenau an Dinge, die ihn persönlich betrafen. „Der Mensch Einstein“, erweist sich als kaum faßbar. Clark: „Was nach Karikatur aussah, war der Mann selbst.“
Auf der einen Seite der Schrullige, der nicht einmal zum Smoking Socken anzieht. Auf der anderen Seite die Mischung von außerordentlicher Hilfsbereitschaft und außerordentlicher -Verletzt-lichkeit. Und dazu Einstein, der hornp.. politicus, der Humanist und Zjonist.
Einer der vielen Gegensätze dieser Persönlichkeit: hier der scharfe, kritische Verstand des Naturwissenschaftlers - dort die Naivität dessen, der politisch handeln wollte, aber sich nicht einmal von Bertrand Russell seinen Glauben an die Bereitschaft Stalins, sich einer Weltregierung zu unterstellen, ausreden ließ.
Dieser Einstein tritt in der Aufsatzsammlung „Aus meinen späten Jahren“ sehr deutlich hervor. Die Neuauflage ist gegenüber 1953 wesentlich verbessert: Anstelle der Rückübersetzungen nun die Originaltexte. Aber Einsteins politische „Naivität“ scheint denselben Urgrund gehabt zu haben wie seine Arbeit als Wissenschaftler: den prinzipiellen Glauben daran, daß die Welt wohlgeordnet ist.
ALBERT EINSTEIN - LEBEN UND WERK. Von Robald W. Clark. Heyne Biographien, 508 Seiten, öS 68,90
AUS MEINEN SPÄTEN JAHREN. Von Albert Einstein. Deutsche Verlags-Anstalt, Stuttgart 1979, 276 Seiten, öS 251,20
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