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60 Jahre Republik

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„Es ist gelungen, einen Staat zu gestalten, zu dem die überwiegende Mehrheit des Volkes das klare und deutliche Ja spricht“, erklärte Bundespräsident Rudolf Kirchschläger vor der gemeinsamen Festsitzung von National- und Bundesrat zum Gedenken des 60. Jahrestages der Gründung unserer Republik.

Der Bundespräsident legte bei dieser Gelegenheit auch ein Bekenntnis zur historischen Kontinuität ab: „Unsere Wurzeln reichen hinein in alle Völker des Donauraumes, die mit uns bis zum Jahre 1918 in der Monarchie vereinigt waren. Unser freudiges Ja zur Republik Österreich schließt unser Ja zu der vorangegangenen Geschichte nicht aus, sondern bindet diese Geschichte ein in unsere heutige Existenz.“

Bei der Festveranstaltung des SPÖ-Bundesparteivorstandes im Burgtheater schlüpfte Bundeskanzler Bruno Kreisky wieder in eine seiner Lieblingsrollen: In die Rolle des Interpreten der Geschichte österreichischer Sozialdemokraten als Geschichte des sozialdemokratischen Österreich: „Wir gedenken des 60jäh-rigen Bestandes der Republik Österreich am besten, indem wir auch für die Zukunft dem Grundsatz treu bleiben, daß wir, aus unserer leidvollen Geschichte lernend, die Aufgaben erkennen, die uns Tag für Tag gestellt sind.“

Weil am 12. November 1918 nicht nur die Republik ausgerufen, sondern auch der Anschluß an Deutschland verkündet worden sei, sei dieser Tag für die Sozialdemokraten als Nationalfeiertag nicht in Frage gekom-

men. Ganz anders als die Erste Republik, die ein wirtschaftlich kaum lebensfähiges Gebilde gewesen sei, stehe die Zweite da: Aus dem Staat den keiner wollte, sei einer geworden, den alle wollten.

Aus ÖVP-Sicht hielt der frühere Vizekanzler Fritz Bock vor der Jungen ÖVP ein Referat zum Thema 60 Jahre Republik Österreich. Nichts

liege ferner, als die Vergangenheit verleugnen und vergessen zu wollen, erklärte der bekannte Koalitionspolitiker: „Ganz im Gegenteil! Gerade wir, die wir uns zum Unterschied von anderen politischen Kreisen ganz bewußt zu einem österreichischen Patriotismus bekennen, dessen Wurzeln in weiter geschichtlicher Vergangenheit liegen, wären schlecht

beraten, wenn wir das Österreich von heute ohne seine Vergangenheit betrachten wollten.“

Im Gegensatz zur Christlichsozialen Partei, in der die Meinungen gespalten gewesen seien, habe der Anschluß stets einen wichtigen Programmpunkt der damaligen Sozialdemokraten gebildet, sagte Bock: „Wichtig ist im historischen Rückblick die Feststellung, daß die Sozialdemokraten an ihrer Anschlußidee als Programm selbst noch nach 1933 festhielten, von diesem Zeitpunkt an allerdings mit der Maßgabe, daß für die Dauer der nationalsozialistischen Herrschaft im Deutschen Reich keine Aktivierung erfolgen sollte. Aber kein Geringerer als Dr. Adolf Schärf bekennt in seinem Memoirenbuch, daß er erst 1943 anläß-licheines Gespräches mit dem illegalen deutschen sozialdemokratischen Gewerkschaftsführer Leuschner darauf gekommen sei, daß der Anschlußgedanke nun aufzugeben und auch nach der Niederlage des sogenannten .Dritten Reiches' nicht mehr zu aktivieren wäre. Zu diesem Zeitpunkt saßen die patriotischen Österreicher schon jahrelang in den Konzentrationslagern.“

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