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Abdankungsprozeß der Linken schreitet fort
Am 25. Mai werden 6,9 Millionen niederländischer Wahlberechtigter ihre Stimme für eine der 20 Parteien abgeben können, die zur Wahl der 150 Volksvertreter in der Zweiten Kammer des niederländischen Parlaments zugelassen sind. Vom Ergebnis dieser Wahl wird es abhängen, welche der drei großen politischen Strömungen- Christdemokraten, Liberale und Sozialisten - den künftigen Kurs der niederländischen Regierung zu bestimmen hat. Ebenso wird sich zeigen, wie stark die Anziehungskraft der großen Parteien ist, um die Niederländer von ihrer Gewohnheit abzubringen, dem Minderheitenextremismus den Vorzug zu geben, sich in zahllose Interessengruppierungen aufzusplittern und das Land damit unregierbar zu machen.
Als sichtbarer Beweis für eine exzessive Demokratisierung präsentieren sich dem Wähler dann auch einseitig strukturierte Parteigebilde, wie der „Verband gegen amtliche Willkür“, die „Föderation der Bejahrten-Partei- en“ oder die „Reformatorisch-Politi- sche Föderation“. Von der „Europäischen Conservativen Union“ ist eigentlich nur die Postfachnummer bekannt. Die „Niederländische Volks-Union“ dagegen hat sich in den letzten Jahren durch rassistische Äußerungen und Gastarbeiterfeindlichkeit hervorgetan. Die „Bauernpartei“ (BP) bezeichnet sich selbst als einzige rechtsstehende und unabhängige Oppositionspartei. Sie hatte bisher drei Abgeordnete. Ihr Führer Koekoek („Kuckuck“ auszusprechen) wird als folkloristisches Element des niederländischen Parlaments besonders geschätzt.
Mit bisher 22 Abgeordneten nimmt die liberale „Volkspartei für Freiheit und Demokratie“ (WD) eine kräftige Position im Parteienspektrum ein. Das regelmäßige Wachstum ihrer Mitglieder in den letzten Jahren läßt vermuten, daß sie bei den Wahlen mit einem besseren Ergebnis abschneidet, als anderen Parteien lieb ist. Die sich „progressiv“ nennenden Links-Libe- ralen von D’66“ (bisher 5 Sitze), die Radikal-Katholische „PPR“ (bisher 7 Sitze) und das neue „Demokratische Aktions-Zentrum“ lehnen eine Zusammenarbeit mit den WD-Liberalen ab und empfehlen sich als Partner einer Koalitionsregierung mit der größten sozialistischen Partei, der PdA, deren Spitzenkandidat der demissionäre Ministerpräsident Joop den Uyl ist. Ob sich an den 43 Sitzen seiner Partei etwas ändert, läßt sich aus den zahlreichen Meinungsforschungsergebnissen noch nicht ablesen. Ohne Hilfstruppen kann die „Partei der Arbeit“ jedenfalls keine Regierung bilden. Sie sucht ihre Verbündeten allerdings nicht im sozialistischen Lager.
Hier gibt es die neue „Sozialistische Partei“ (SP), die sich die „einzig echte“ nennt, was aber von der „Pazifistisch-Sozialistischen Partei“ (PSP) bestritten wird, da nur sie (mit zwei Sitzen) eine „wirklich“ sozialistische Politik betreibe. Die Echtheit der „Kommunistischen Partei“ (7 Sitze) wird von der „Kommunistischen Einheitsbewegung“, die noch nicht im Parlament war und sich als „marxistisch-leninistisch“ bezeichnet, scharf angefochten. Die Linke ist zerstritten, ideologisch gespalten und den „Volk- front“-Tendenzen ausgeliefert, die im außerparlamentarischen Raum Realität sind. Dagegen wehrt sich umso heftiger der von der PvdA vor einigen Jahren abgesprungene Flügel der gemäßigten Sozialdemokraten, der unter dem Namen „Demokratische Sozialisten DS’70“ mit sechs Sitzen im Parlament den Volksfrontaktivitäten die Redlichkeit sozialdemokratischer Staatsauffassung entgegenzusetzen sucht.
Der Abdankungsprozeß des Sozialismus in den Niederlanden geht weiter.
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