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Abendamtszeit: Minister am Zug

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Nach Büroschluß aufs Finanzamt? Die Beamten sind durchaus flexibel und gesprächsbereit. Und sie wollen keineswegs eine so starre Haltung wie der Handel einnehmen.

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Nach Büroschluß aufs Finanzamt? Die Beamten sind durchaus flexibel und gesprächsbereit. Und sie wollen keineswegs eine so starre Haltung wie der Handel einnehmen.

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FURCHE: Gut jeder dritte Österreicher, so Umfragen, hält Beamte für bestechlich.Beamten- tum wird andererseits mit Amtskappel, Obrigkeit, Bürokratie verbunden. Ein guter Ruf steht auf dem Spiel.

BUNDESRAT SOMMER: Natürlich haben die Ereignisse der letzten Zeit unser Bemühen, den öffentlich Bediensteten der Bevölkerung gegenüber positiver darzustellen, beeinträchtigt. Allerdings ist vieles, was hier geschehen ist, nicht den Berufsbeamten zuzuordnen, sondern eher den politischen Beamten. Trotzdem sind es imerfreuliche Randerscheinungen, von denen wir wünschen, daß sie möglichst bald aufgeklärt werden. Als Gewerkschaft haben wir das allergrößte Interesse an einem sauberen Berufsstand.

Eines ist aber sicher: Menschliches Fehlverhalten im öffentlichen Dienst wird aber allgemein vielleicht spürbarer und schmerzhafter empfunden. Denn man kann zwar Schuhe in einem anderen Geschäft kaufen, aber im öffentlichen Dienst ist man auf eine Behörde angewiesen….

FURCHE:…und auf den Amtsweg. Er ist mit einer Vielzahl umständlicher Formulare gepflastert, die Amtssprache ist schwer verständlich.

SOMMER: Das ist richtig. Daher habe ich auch bei unserem Ge- werkschaftstag im November an die höhere Beamtenschaft, die dafür zuständig ist, appelliert, Formulare einfacher lesbar, einfacher ausfüllbar und höflicher in der Umgangsform zu machen. Das sehen wir durchaus als eine gewerkschaftliche Aufgabe an. Aber wir haben ja auch genug Staatssekretäre, die sich um diese Dinge kümmern sollten.

FURCHE: Landeshauptmann Siegfried Ludwig hat sich in Niederösterreich erfolgreich um eine bürgerfreundliche Gestaltung der Amts stunden für Berufstätige gekümmert, ohne Mehrkosten noch dazu. Wäre das Beispiel abendlicher Amtsstunden nicht auch auf Bundesebene nachahmenswert? Etwa für Finanzämter?

SOMMER: Warum sollte man so etwas nicht versuchen? Wir sind in dieser Frage im Zusammenwirken mit den einzelnen Personalvertretern sicher flexibel. Vor einer generellen Regelung müßte man das in einem Versuchsstadium probieren. Ich glaube nicht, daß man eine so starre Haltung wie der Handel einnehmen sollte.

FURCHE: Wer müßte jetzt initiativ werden?

SOMMER: Zuständig ist der jeweilige Minister, im Fall Finanzamt der Finanzminister. Er könnte sich mit seinen Personalvertretern zusammensetzen. Die Gewerkschaft wäre gesprächsbereit.

FURCHE Eigentlich wären das Anliegen einer Verwaltungsreform. Von der hört man sporadisch, aber das Gefühl, daß es sie gibt, hat man eigentlich nicht. v SOMMER: Wir haben es auch nicht. Denn für die Einführung moderner Bürotechnik brauch’ ich keine Verwaltungsreform. Wir ersticken in einer Gesetzesflut. Immer neue Gesetze, immer mehr Beamte: das würde zu einer vollkommenen Verbürokratisie- rung Österreichs führen.

Eines ist daher notwendig: ein Abrücken vom derzeitigen zentralistischen System. Daher sind wir auch aus ideologischen Gründen in den letzten zehn Jahren da nicht weitergekommen, denn der Sozialismus ist straff zentralistisch ausgerichtet. Was hier an Hierarchien und Kompetenzen kunstvoll aufgebaut wurde, sollte man durch Vertrauen in die Tätigkeit des einzelnen Beamten ersetzen.

FURCHE: Also mehr Selbständigkeit?

SOMMER: Der Beamte, der direkten Kontakt zur Partei hat, sollte in einem weitaus größeren Rahmen entscheidungsbefugt sein. Er hätte mehr Freude an seiner Arbeit und der Bürger hätte ebenfalls einen positiveren Eindruck. Denn heute kommt der Bürger kaum in die Situation, wirklich mit dem Organ zu sprechen, das letztlich die Entscheidung trifft. Also: einfachere Verwaltungsabläufe, Dezentralisierung, Verantwortung delegieren, mehr Selbständigkeit. Das wäre eine Verwaltungsreform.

FURCHE: Apropos Zentralisierung: Entstehen nicht viele Reibungsflächen mit den immer größer werdenden politischen Stabsstellen in den Ministerien?

SOMMER: Ich gestehe jedem Ressortchef zu, daß er sich mit einigen Leuten seines Vertrauens umgibt. Was ich für ungünstig halte, ist eine Ausweitung dieses Apparates und damit ein Eingriff in die Verwaltungsstruktur des Ressorts selbst. Dort haben nach der Geschäftseinteilung Beamte die Verantwortung über Weisung des Ministers zu tragen, und die soll ihnen nicht über den Umweg von Ministersekretären aus der Hand genommen werden. Die österreichischen Beamten sind loyal genug, um mit jedem Regierungsmitglied, unabhängig von ihrer inneren politischen Einstellung, zusammenzuarbeiten.

FURCHE: Viel Staub hat zuletzt die Beamtenforderung nach einem 15. Mohatsbezug auf gewirbelt.

SOMMER: Ich weiß nicht, warum gerade der Personenkreis, der das seit einiger Zeit hat (Anm: die Journalisten), daraus ein solches Sensationsstück machen wollte. Den 15. Monatsbezug gibt es schon in manchen Bereichen und wir kennen Mehrfachbezüge bis zu 21 Gehälter bei der Wiener Messe AG. Daß hier auch einmal für den öffentlichen Dienst Überlegungen angestellt werden, wird wohl noch erlaubt sein: für den Fall, daß es die wirtschaftlichen Verhältnisse zulassen. Aber es ist unrichtig, daß damit bereits eine Forderung an den Dienstgeber herangetragen worden ist.

FURCHE: Was hat Vorrang: Verbesserung der Einkommen oder Arbeitszeitverkürzung?

SOMMER: Ich glaube, daß der Großteil der Kollegen einer Verbesserung der Einkommensstruktur, so sie wirtschaftlich überhaupt möglich ist, den Vorzug geben würde. Und das bei einem Besoldungsschema, das durch seine Durchlässigkeit einen Leistungsanreiz bietet. f

Das Gespräch mit Bundesrat Rudolf Sommer. dem Vorsitzenden der Gewerkschaft öf- . fentlicher Dienst, führte Hannes Schopf.

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