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Abenteuer im Stollen

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E isen auf immerdar" versprach einer alten Sage zufolge der WassE;?rrnann. den Eisenerzern. Wenn auch infolge der weltweiten Stahlkrise von den einst 4.600 Arbeitern ????m Erzberg nur noch über 500 übriggeblieben sind - die Prophezeiung wird aufrecht erhalten. tn einem für Europa einmaligen Schaubergwerk unter Tag steigt

man in diecGeheimnisse der Grubenwelt hinab: Eisen auf immerdar - zumindest in 'einem Museum besonderer Art. , „Keine Angst, unsere Grubenhunde bellen und beißen nicht'" beruhigt verschmitzt ein altgesottener Knappe, der Touristen durch ein in Europa bestimmt einmaliges Museum führt, dem 2,7 Kilometer langen' Schaubergwerk im steirischen ????rzberg. Dort, wo er einst gemeinsam

mit seinen Kumpeln unter Tag in harter gefährlicher Arbeit sein tägliches Brot verdient hat, führt er jetzt interessierte Besucher in die geheimnisvolle :Welt des Bei:gbaus ein.

Ungebrochen ist der Stolz des einstigen Bergknappens, der Stolz eines durch Gefahren verschworenen Berufstandes. Geblieben sind .ihm auch die Schwielen. an den Händen, die er bereitwillig und selbstbewußt den Fremden vorhält: „Das ist die Ehre meiner Arbeit ... " Für den Erzberg gibt es eine Vielzahl von Bezeichnungen wie „Steirischer Brotlaib", „Herz aus Erz" oder gar ;,Das steirische Weltwunder

Auf der Riesenpyramide von 700 Meter Höhe sollen schon die Römer abgebaut haben. Der Erzberg ist untrennbar mit industrieller Tradition und K'.ultur verbunden. Im 18. Jahrhundert standen rund um den Berg zahlreiche Schmelzstätten, wo das im Grubenbau und im Tagbau gewonnene Erz zu Roheisen verhüttet wurde. D1e weithin sichtbare stufenförmige Silhouette verdankt der Erzberg Erzherzog Johann, dem großen Protege der „ Grünen Mark": Er war es, der den Tagbau in Etagen forcierte.

Heute bewältigen Häuer und Maschinisten. mit ihren monströsen

Geräten die Gewinnung im Tagbau, zweimal pro Tag wird gesprengt, dabei werden 43.000 Tonnen Abbaumaterial gewonnen. Rund ein Viertel dieser Menge wandert als versandfertiges Erz direkt in die heimische Stahlindustrie. Jährlich werden rund 2,3 Millionen Tonnen produziert. Nachdenklich stimmt auch die Wanderung entlang des Gesteinslehrpfades: Hier werden 200 bis 400 Millionen Jahre Erdgeschichte lebendig.

„Jetzt gehen wir zur Katl! " ruft uns der kernige Bergmann zur Tagesordnung. Alle jene, die an den Einzug in ein uriges Knappenwirts-

haus gedacht haben, werden enttäuscht: Urig ist es schon, aber etwas eng: Die „Katl" ist nämlich der kleine Grubenzug, mit dem die Bergleute in den Stollen eingefahren sind. Den Helm auf, der hehre Bergmannsgruß „Glück auf" erschallt, die Katl setzt sich in Bewegung, und das Abenteuer Grubenreise beginnt.

1986 wurde die Etage I stillgelegt, die letzte der einstmals fünf Gruben am Erzberg wurde zu einem einzigartigen Industriedenkmal ausgebaut:_ Hier wandelt man auf den Spuren Tausender Bergleute, die über Jahrhunderte Stollen in den Berg trieben. Faszination und Schaudern zugleich, wenn man in den engen finsteren Stollen die einzelnen Stationen abgeht, und eindrucksvoll und hautnah. mit der Härte des Knappenlebens konfrontiert wird. Arbeitswelt und Brauchtum fügen sich zu einer Einheit, von den Pionierleistungen am Beginn des 16. Jahrhunderts bis zu den modernsten Abbautechnik, zU:r Wassenpannsage und der Pflege bodenständigen Brauchtums wie der Barbarafeier.

Natürlich bat so ein g'standener Bergmann wie unser Führer jede Menge Geschichten auf · Lager. „Aber schreiben S' das nicht, sonst habe ich den Besuchern nichts mehr zu erzählen", schlägt mir der Eisenerzer lachend auf die Schulter, wobei ich einen kleinen Geschmack von den Bärenkräften der „Kumpel" erhalte. Warum ein . Truhenläufer so gar nichts Läuferisches aufzuweisen hat, ein Kuttenjunge kein Kuttenmann werden ka???? und was es mit einem Sackzieher auf sich hat, diese Fragen wird jeder Bergwerksführer gerne und ausführlich beantworten. Übrigens: Sowohl die · Schreibweise „Hund" als auch „Hunt" - die Bezeichnung für einen bergmännischen Förderwagen .. - stimmt, versichert uns d???? Berg\1.lerl{sführer, was auch der Duden bestätigt.

Inmitten gezimmerter Stollen, beeindruckender Bergmannsgeräte und Maschinen erhält man in vielen S,tationen einen nachhaltigen Eindruck harten Bergmannslebens: „Jetzt werden sie vielleicht verstehen, warum die Bergknappen eine ·derart verschworene Gemeinschaft ·sind", holt der Knappe zu einer Erklärung aus. „Hier mußte jeder für den anderen da sein, man war einfach auf das Zusammenhalten und -helfen angewiesen, und das ist auch nach der Arbeit so geblieben".

„Am Erzberg wurde übrigens die erste Schienenförderung Österreichs im Jahr 1810 erbaut", erläutert uns de???? ehemalige Bergmann. Den größten . Aufschwung erlebte die Gleisförderung in der Zwischenkriegszeit, damals gab es am Erzberg Gleisstrecken in einer Länge von 240 Kilometern. Mit der Einführung der gleislosen Autoförderung vor 34 Jahren wurde der Gleisbetrieb auf die Untertag-Förderung zurückgedrängt.

Auch die Zuförderung zu den Bahnverladestellen erfolgte früher auf Schiene über den „Huntslauf", der schließlich 1985 eingestellt wurde. Die Gleisförderung wurde zu Beginn des Jahres 1988 eingestellt, der Mannschaftszug „Katl'' blieb erhalten: Mit je einer 100-PS-starken Gleichstromlokomotive vorne und hinten befördert sie die verzauberten Besucher nach einem mehrstündigen Aufenthalt im Schaubergwerk wieder ans Tageslichl zurück

Es sollen schon Fremde die Führer gefragt haben: „Und wo sind jetzt die Grubenhunde, die nicht beißen und bellen . . . ?"

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