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ABGANG IST NICHT AUF NULL SENKBAR

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FURCHE: Wie wirtschaftlich können die Bundestheater geführt werden?

GEORG SPRINGER: Diese Frage zu beantworten ist schwierig. Formal haben die Bundestheater jeweils ein eigenes Budget-Kapitel im Bundesfi-nanzgesetz, in dem Ausgaben und Einnahmen pro Finanzjahr genau aufgegliedert sind. Die wirtschaftliche Führung der Bundestheater besteht darin, mit dem zur Verfügung gestellten Budget auszukommen. Das bedeutet auch, daß es jährlich einen Betriebsabgang gibt, der bremsbar, aber nicht auf Null reduzierbar ist. Zwischen 1988 und 1990 wurde der Betriebsabgang real gesenkt, nicht möglich ist es, aufgrund wirtschaftlicher Führung mittel- oder langfristig die Bundestheater gewinnbringend oder zumindest ausgeglichen bilanzierend zu führen. Außer bei en suite spielenden Broadway-Bühnen hat sich dies mittlerweile als Traum herausgestellt, die Subventionslosigkeit der Metropolitan Opera in New York oder von Covent Garden in London ist als Mär entlarvt worden, ohne öffentliche Unterstützung ist weltweit kein Theater zu führen.

FURCHE: Wie kann der alljährliche Betriehsabgang so niedrig wie möglich gehalten werden? Welche Maßnahmen sind für die Zukunft geplant?

SPRINGER: Die Senkung des Abganges zwischen 1988 und 1990 ist durch organisatorische Maßnahmen möglich geworden, sie haben den künstlerischen Bereich nicht betroffen, weder die Zahl der Aufführungen oder der Produktionen, noch die Aufwendungen für den eigentlichen künstlerischen Betrieb. Einsparungen gab es in erster Linie im administrativen Bereich im Bundestheaterverband selbst. Das reicht von einer Personalreduktion bei den Portieren bis zu Auslagerung von bestimmten Tätigkeiten außer Haus. Die tatsächliche Ersparnis entkräftet den Vorwurf der budgetären Kosmetik -diese Kosten finden sich nun ja anstelle der Personalausgaben nun bei den Sachausgaben. Auch die Reinigungsarbeiten wurden außer Haus vergeben.

FURCHE: Für den Theater/Opern-besuchet bleiben solche Einsparungen unsichtbar. Gibt es auch Sparmaßnahmen, die die „ Konsumenten " registrieren können ? Gibt es beispielsweise etwa Sparerlässe für Ausstattung oder Kostüme ?

SPRINGER: Nur Minister Schollen selbst könnte einen solchen erlassen, die Direktoren der Häuser würden das als geänderte Grundlage ihrer Verträge ansehen und nicht akzeptieren - sie würden dann wohl ihre Funktionen zurücklegen.

FURCHE: In der Öffentlichkeit entsteht immer wieder der Eindruck eines verschwenderischen Umganges mit den finanziellen Mitteln: Gibt es interne Richtlinien betreffend Einsparungen?

SPRINGER: Dieser Eindruck in der Öffentlichkeit ist falsch. Tatsächlich äußert sich die Spargesinnung derart, daß bei aller Kenntnis des Theaterbetriebes vermeidbare Kosten vermieden werden. Eine Produktion am Theater entsteht in einem Prozeß, was auch bei der besten inhaltlichen und künstlerischen Planung ergeben kann, daß bestimmte Dinge nicht machbar sind. Ich erinnere mich an die Inszenierung von „Simon Boccanegra'* durch Lucchino Visconti an der Staatsoper. Auch für den Chor waren höchst aufwendige Kostüme verfertigt worden, aber es stellte sich als unmöglich heraus, alle Chorsänger auf der Bühne unterzubringen. Durch die erst vom Dirigenten gewünschte Verstärkung des Chores war dies aber nicht vorhersehbar gewesen. So etwas kann passieren und hat nichts mit Geldhinauswerfen zu tun.

Als 1991 das Bundesfmanzgesetz sehr spät beschlossen wurde, waren wegen des Budgetprovisoriums Zahlungsschwierigkeiten vorhersehbar. Da habe ich entschieden, daß alle Bestellungen und Rechnungen über meinen Schreibtisch gehen. Das war eine Tortur, aber der Effekt ist voll eingetreten, wir sind mit dem Budget ausgekommen. Das beweist, daß die sehr anstrengende tägliche minuziöse Arbeit an der Spargesinnung der Mitarbeiter das wichtigste ist. In einem so großen Betrieb muß jeder einzelne wissen, daß bei sinnlosen Ausgaben jemand sagt: So geht das nicht! Das ist für die Motivation und Identifikation mit dem Betrieb notwendig, auch für den Rückhalt, einzelne Ausgaben infragezustellen. Meiner Meinung nach liegt es an den Direktionen der Häuser und am Generalsekretariat, diese Sparmotivation zu erzeugen und zu fördern. Die rund 3.500 Mitarbeiter sollten am selben Strang ziehen.

FURCHE: Gibt es diese Spargesinnung erst, seit Sie Generalsekretär der Bundestheater sind?

SPRINGER: So kann man das nicht sagen. Die Größe dieses Unternehmens verlangt das Delegationsprinzip, ich habe vorübergehend bis auf weiteres diese Delegation zurückgenommen. Auch die Budgetsituation für 1992 veranlaßt mich, weiter die Kontrolle in der Hand zu behalten. Es ist eine fürmich unbequeme Entscheidung, wenn fürTesabandrollen bis zu Holzbestellungen in Millionenhöhe meine Zustimmung notwendig ist. Auch die Grenzen der Beobachtbarkeit werden erreicht.

FURCHE: Sehen Sie dies als Ihren Arbeitsschwerpunkt?

SPRINGER: Ich glaube, daß eine meiner Hauptaufgaben als Generalsekretär die ökonomische Führung der vier Theater und ihrer zentralen Verwaltung zu sein hat. Höchst genußvoll erlebe ich bei Premieren, wie das auf einem Bestellschein von mir, womöglich mit Kopfschütteln, Unterzeichnete auf der Bühne sinnvoll umgesetzt und verwendet wird.

FURCHE: Ein ungewöhnlicher Aspekt von Premieren-Betrachtung...

SPRINGER: Sehr bewußt erlebe ich mit, wenn auf der Bühne etwas beschädigt wird. Am Beginn der Tätigkeit von Rudolf Schölten und mir im Generalsekretariat war die erste große Premiere die Peymann-Insze-nierung von „Der Sturm". Schon während der Proben waren wir immer wieder mit Kostümbeschädigungen durch das auf der Bühne verwendete Wasser konfrontiert - bei der Premiere haben wir das dann höchst aufmerksam vom Zuschauerraum aus registriert. Es muß der richtige Mittelweg zwischen Kunst und Ökonomie gefunden werden. Das Nicht-Zertrümmern eines Sessels oder eines Spiegels auf der Bühne kann nicht die Vorgabe für gutes Theater sein.

FURCHE: Wie hoch war der Betriebsabgang 1991?

SPRINGER: Der Jahresabschluß für 1991 wird erst in etwa zwei Monaten vorliegen, der Betriebsabgang wird - entsprechend dem Budgetvoranschlag - 1.397 Millionen ausmachen. Für 1991 und die folgenden Jahre wurde von uns ein Sonderinvestitionsprogramm vorgelegt, dessen zusätzliche Mittel für 1991 90 Millionen betragen haben. Staatsoper und Burgtheater stammen technisch ja aus den fünfziger Jahren und brauchen dringende Investitionen.

Bezugserhöhungen der Künstler und des technischen Personals von 5,9 Prozent im Jahr 1991 schlagen sich ebenfalls sofort im Betriebsabgang nieder, auch die Absage des Opernballs 1991 verursacht Mindereinnahmen von 30 Millionen.

FURCHE: Der Betriebsabgang ist also jedenfalls durch steigende Personalkosten, den Pensionsaufwand, aber auch durch die allgemeine Teuerungsrate bestimmt?

SPRINGER: Kein Theaterbetrieb auf der ganzen Welt muß in seinem Budget den Pensionsaufwand berücksichtigen. Die kollektivvertragliche Bezugsautomatik des öffentlichen Dienstes und der materialkostenin-tensive Sachaufwand sind zwei wesentliche Teuerungsfaktoren. Wir betreiben sozusagen eine Großtischlerei, sind vermutlich der größte Kleiderproduzent Österreichs und so weiter. Auch eine Erhöhung des Strompreises hat starke Auswirkung. Im modernen Regietheater wird Holz durch - teureres - Aluminium ersetzt, da dieses besser und rascher bearbeitbar ist, was ja wieder Arbeitszeit spart.

Preissteigerungen bei Personal- und Sachaufwand sind aber natürliche Grenzen für den Abbau des Betriebsabganges.

FURCHE: Welche Rolle spielt die Auslastung der Vorstellungen für den Betriebsabgang?

SPRINGER: Überhaupt keine, die Auslastung sagt nichts über die Einnahmen bei einer bestimmten Vorstellung, denn da sind ja Frei-, Schüler- oder Studentenkarten enthalten. Interessant sind die Einnahmen einer Vorstellung. Durch die lange Vorlaufzeit beim Musiktheater ist jeder Staatsoperndirektor tendenziell ein Bankrotteur, er tätigt jetzt bereits Ausgaben für das Finanzjahr 1994.

FURCHE: Sind die Pläne für die Probebühne von Burg- und Akademietheater im Arsenal und für das Jesuitentheater durch die notwendigen Budgeteinsparungen gefährdet?

SPRINGER: Das Sonderinvestitionsprogramm mußte neu termini-siert werden, statt zugesagter 260 Millionen erhalten wir heuer nur 105 Millionen. Die Probebühne im Arsenal ist gesichert, sie wird rund 90 Millionen kosten und 1993 fertiggestellt sein. Das Jesuitentheater mußte - wie die dringend notwendige Schnürbodensanierung im Burgtheater-zurückgestellt werden. Da noch entscheidende Vorarbeiten durch das Wirtschaftsministerium zu leisten sind (Dachstuhl- und Deckenfreskensanie-rung), werden frühestens im Herbst 1992 von uns zu finanzierende bauliche Maßnahmen vorgenommen. Dafür rechnen wir mit einer entsprechenden dritten Tranche des Sonderinvestitionsprogramms.

FURCHE: Wann wird das .lesui-tentheater bespielbar sein'.'

SPRINGER: Probenbetrieb soll ab Herbst 1993 möglich sein, Vorstellungen wahrscheinlich ein Jahr später. Im Gegensatz zur Auslastung haben die Einnahmen einen großen Einfluß auf den Betriebsabgang. Die Staatsoper hat allerdings in den letzten Jahren ihr Budget wesentlich überschritten und dies mit Mehreinnahmen aus dem Kartenverkauf gerechtfertigt, und zwar in der Höhe von 35 bis 40 Millionen. Das brachte den Vorwurf des Finanzministeriums ein, nachweislich falsche Einnahmenzahlen bekanntgegeben zu haben. Nun sind uns für 1991 Mehreinnahmen von 20 Millionen und für 1992 von neuerlich 26 Millionen im Budget vorgegeben worden - was heißt, daß 1992 insgesamt 46 Millionen mehr eingenommen werden müssen als 1990 - ob dies budgetmäßig eingehalten werden kann, ist noch offen.

In einem Rechenspiel können nach einem bestimmten Schlüssel die Einnahmen auf die einzelnen Häuser aufgeteilt werden, dividiert durch die Spieltage erhält man eine - fiktive -Einspielsumme pro Abend. Diese Zahlen dienen der laufenden Kontrolle, auch der laufenden Beunruhigung. Auch Burg- und Akademietheater haben im letzten Jahr diese Summen erreicht.

Mit dem Generalsekretär des Bundestheater-verbandes sprach Leonore Rambosck

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