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Abmeldung vom Heer mit der Postkarte

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„Die Einschätzung des Bundesheeres als staatstragend scheint überholt.“ Mit diesen provokanten Worten sicherte sich der umstrittene Vorsitzende der österreichischen Hochschülerschaft (ÖH) und Spitzenkandidat der ÖVP-nahen ÖSU, Fritz Pesendor-fer, wieder einmal einen Platz in der Öffentlichkeit. Die Äußerungen fielen im Zusammenhang mit der bevorstehenden Novellierung des Zivildienstgesetzes - eine willkommene Gelegenheit für manche Schwärmer, die durch die Verfassung auferlegte allgemeine Wehrpflicht in Zweifel zu ziehen.

Schwärmer Fritz Pesendorfer, der

auch allemal für ein flammendes Bekenntnis zur Gesamtschule gut ist, möchte nun nach deutschem Vorbild die Zivildienstkommission (Wehrpflichtige, die aus Gewissensgründen nicht zur Waffe greifen wollen, haben vor dieser Kommission ihre Gründe offenzulegen) abschaffen. „Abmeldung vom Heer mit Postkarte“, lautet das in unserem Nachbarland kursierende Schlagwort: Seit der Abschaffung der Kommission hat sich die Zahl der Zivildiener verdreifacht. Heinrich Neisser, Wehrexperte der ÖVP, zweifelt wohl mit Recht, daß die Zahl derer, die das Gewissen drückt, derart sprunghaft ansteigen kann.

Darüber, daß in einem Land, das sich so gerne zum Schiedsrichter über die Einhaltung von Menschenrechten in anderen Ländern macht, Wehrpflichtige grundsätzlich die Möglichkeit haben, aus religiösen oder anderen Motiven einen Zivildienst abzuleisten,

herrscht in Österreich Einigkeit. Auch im Verteidigungsministerium bekennt man sich zur Institution des Zivildienstes: Oberstleutnant Heinz Danzmayer (Leiter der Abteilung Wehrpolitik) bedauert nur, daß die Frage des Zivildienstes immer wieder mit der Frage nach der Sinnhaftigkeit einer militärischen Landesverteidigung verbunden wird: „Man muß das auseinanderhalten.“

Dem ÖH-Vorsitzenden Fritz Pesendorfer ist es aber noch zu wenig, nur Ausnahmen von der allgemeinen Wehrpflicht zuzulassen. Für ihn ist das Bundesheer eine „Lehre zum Töten“, der Zivildienst hingegen stellt einen

„Beitrag zur Schaffung eines dauerhaften Friedens“ dar. Pesendorfer weiß aber im Kampf um die Abschaffung der Zivildienstkommission eine breite Front hinter sich: Die meisten im Bundesjugendring vertretenen Jugendorganisationen vertreten seinen Standpunkt. Ausdrücklich für die Beibehaltung der Kommission sprechen sich nur Junge ÖVP, JES, MKV und das österreichische Jungvolk aus.

Die ÖVP müßte, so meint der Bundessekretär der Jungen ÖVP, Günther Thaler, eine ähnliche Position einnehmen wie etwa Justizsprecher Walter Hauser in der Frage der frühzeitigen Haftentlassung: Nicht sofort mit den Wölfen heulen, sondern eine politisch verantwortungsvolle Haltung vertreten - wenn das manchmal auch unpopulär sein mag.

Der MKV will durch die Beibehaltung der Kommission den Zivildienst vor einer Degradierung zur „Drücke-

berger-Organisation“ bewahren. Die konservative Studentengruppe JES geht weiter: Sie sieht in der Abschaffung der Zivildienstkommission eine De-Facto-Abschaffung der allgemeinen Wehrpflicht.

Daß dennoch einige Punkte im derzeitigen Zivildienstgesetz reformbedürftig sind, gestehen auch Pesendor-fers Gegner zu. Es fehlt eine Beru-fungs- und Beschwerdeinstanz, derzeit entscheidet die Zivildienstkommission in erster und letzter Instanz. Auch die Zusammensetzung ist nicht ideal. Ein Theologe oder Psychologe würde den Kreis der Kommissionsmitglieder abrunden helfen.

Der Zulassung zum Zivildienst stellen die an drei verschiedenen Orten amtierenden Kommissionen (zumindest quantitativ) keine großen Hindernisse entgegen: In den letzten drei Jahren wurden jeweils zwischen 66 und 70 Prozent der Ansuchen positiv erledigt.

Kritisiert werden immer wieder auch die Einsatzplätze der Zivildiener. Die Leistungen müssen dem „allgemeinen Besten“ dienen, bestehende Arbeitsplätze dürfen nicht gefährdet werden. Nach den Unterlagen des MKV-Seniors Günther Ofner befinden sich heuer bereits 60 Prozent der Einsatzplätze im Bereich von Post, Bahn und Straßenbau. Doch muß gesagt werden, daß es im Bereich der Sozialhilfe oder beim Roten Kreuz eine ganze Reihe von Plätzen für Zivüdiener gibt, die an die jungen Wehrpflichtigen enorme körperliche und psychische Anforderungen richten. Uber Dienstposten in Sekretariaten von Jugendorganisationen läßt sich freilich streiten ...

Die Junge ÖVP fordert nun eine ta-xative Aufzählung der Trägerorganisationen, Neisser die Gemeinnützigkeit und das soziale Hilfselement, JES verlangt eine Bindung an die Aufgaben der umfassenden Landesverteidigung, der MKV will von den Zivildienern einen „Beitrag zur umfassenden Selbstbehauptung Österreichs“ erbracht wissen.

Bleibt zu hoffen, daß die Zivildienstnovelle, die Ende Juni ins parlamentarische Begutachtungsverfahren kommen soll, eine Reihe konstruktiver Kritikpunkte berücksichtigen wird. Daß es grundsätzlich die Möglichkeitgibt, aus Gewissensgründen einen militärischen Dienst mit der Waffe abzulehnen, kann als Fortschritt bezeichnet werden. Sollte aber erst der Gesetzgeber durch seine Bestimmungen die Wahrpflichtigen auf die Idee bringen, auf welche Art sie das Gewissen drücken könnte, wäre das wohl entschieden zuviel des Fortschritts.

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