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Abrüstung ist uns untersagt

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Vor areißig Jahren begann Österreich eine neue Epoche in seiner Geschichte: Die Neutralität hat uns ein Ansehen gebracht, das wir ohne diesen Status wohl nicht erreicht hätten.

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Vor areißig Jahren begann Österreich eine neue Epoche in seiner Geschichte: Die Neutralität hat uns ein Ansehen gebracht, das wir ohne diesen Status wohl nicht erreicht hätten.

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Die dauernde Neutralität ist ein durch das Völkerrecht bestimmter Sonderstatus eines Staates, der im Einvernehmen mit anderen Staaten, also nicht einseitig, vor allem zum Zwecke der politischen Stabilisierung einer Region begründet wird. Dieser Status verpflichtet den Neutralen bereits im Frieden zur Führung einer Politik, die geeignet ist, die anderen Mitglieder der Staatengemeinschaft zu überzeugen, daß der Neutrale im Krieg (dem Neutralitätsfall) willens ist, absolut unparteiisch zu bleiben. Nicht-teilnahme an Militärbündnissen, Verbot von fremden Stützpunkten auf seinem Territorium, aber auch die Pflicht, dieses zu verteidigen, gehören zu den Neutralitätspflichten.

Nach geltendem Völkerrecht ist — so paradox es klingt — nur dem dauernd Neutralen eine Abrüstung untersagt. Soll nun dieser die in ihn gesetzten Erwartungen im Hinblick auf die Stabilisierung einer Region sinnvoll erfüllen, so dürfen seine militärischen Anstrengungen nicht unter den Stand vergleichbarer neutraler Staaten — vor allem hier der Schweiz — fallen. Unter diesem Gesichtspunkt erscheint die Anschaffung von Abfangjägern mit Raketenbewaffnung als geboten. Denn je höher die Kosten — materiell wie politisch—einem potentiellen Aggressor zu stehen kommen, desto größer ist die Wahrscheinlichkeit der Wahrung der territorialen Unversehrtheit Österreichs in einem künftigen Konfliktfall.

Der Status der dauernden Neutralität schließt keineswegs auch eine ideologische Neutralität in sich. Österreich als Rechtsstaat mit einem freiheitlich-demokratischen System ist nur diesen ihm zugrundeliegenden Prinzipien verpflichtet, was auch u. a. im Abstimmungsverhalten in der UNO zum Ausdruck gelangt ist. Die größten Unterschiede zeigen sich hier zur UdSSR, zur DDR, zu Kuba oder Algerien, während fast eine Identität im Abstimmungsverhalten mit Schweden, Irland, Dänemark, Finnland oder Norwegen zu beobachten ist.

Was hat Österreich aus der nun dreißig Jahre alten Neutralität für sich international gemacht? Nach einem, wie es jüngst Karl Zemanek vom Wiener Völkerrechtsinstitut genannt hat, anfänglichen „Lernprozeß in Sachen Neutralität“, der durch eine eher passive Rolle auf der internationalen Bühne gekennzeichnet war, entschloß sich Österreich zu einer „aktiven Neutralitätspolitik“.

Im Rahmen der UNO führte sie nicht nur zur Verurteilung von Menschenrechtsverletzungen und Gewaltanwendung, von welcher Seite sie auch immer begangen wurden, sondern auch zu einer Friedenspolitik (pacigerence) durch die erfolgreiche Bewerbung um einen nichtständigen

Sitz im Sicherheitsrat 1973/74, durch die Zurverfügungstellung österreichischer Einheiten für die UNO-Friedenstruppen in Krisengebieten (z. B. Golan und Zypern) und, ganz allgemein, dutch das Anbot an die Welt, Österreich als „Ort der Begegnung“ zu nutzen. Dieses gewachsene Ansehen Österreichs und auch die Anerkennung seiner Funktion als Vermittler im multilateralen Prozeß der Konfliktbeilegung ist schließlich am deutlichsten 1971 durch die Wahl des Österreichers Kurt Waldheim zum UNO-Generalsekretär zum Ausdruck gebracht worden.

Alles in allem gesehen erscheint somit die Bilanz positiv, und Österreich hat seinen Sonderstatus auf multilateraler Ebene zu nutzen verstanden. Es sei sogar die These gewagt, daß das Ansehen Österreichs und seine internationalen Einflußmöglichkeiten ohne seinen Neutralitätsstatus wesentlich geringer wären.

Wie soll es nun weitergehen? Sicherlich sollte der Weg der pacigerence auf multilateraler Ebene fortgesetzt werden. Auf bilateraler Ebene könnte auf dem wirtschaftlichen Sektor auf Grund des Vertrauens, das die sozialistischen Staaten Osteuropas in Österreichs Neutralität setzen, hier eine Zusammenarbeit mit diesen Ländern weiter intensiviert werden. Dabei stehen auch einem Export österreichischer Hochtechnologie keine neutralitätsrechtlichen Bedenken entgegen.

Auch die Intensivierung der Beziehungen zu den Entwicklungsländern wäre ein sinnvoller Einsatz nicht nur des Neutralitätsstatus, sondern auch des Umstandes, daß Österreich nie eine Kolonialmacht gewesen war. Auf diese Weise könnte auch in Zukunft Österreich auf der Grundlage seiner ihm von der Staatengemeinschaft verliehenen Sonderstellung im Interesse des Friedens und der internationalen Zusammenarbeit seine Stellung weiter ausbauen.

Der Autor ist Professor für Völkerrecht an der Universität Wien.

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