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Abschied

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„Schaun S’, planen kann man im­mer. Wenn’s aus ist, ist es halt aus. Und das erfahren die Leut dann früh genug.“ Bis zuletzt sagte Karl Böhm das jedem, der sich wunderte, nach welcher exakten Zeiteinteilung der 86jährige lebte und arbeitete.

Von Jugend auf hat er, der gebürti­ge Grazer, unermüdlich gearbeitet. Weil für ihn Musik alles im Leben war. Und weil er einen ganz besonde­ren Sinn für Familie hatte, aus deren Ruhepol er Kraft für seine Arbeit schöpfte.

Bis wenige Monate vor seinem Tod dirigierte er überall in der Welt, scheute keine Strapazen, auch nicht Zwölf- und Mehrstundenflüge. 1980 ging er noch mit der Staatsoper nach Japan, wo ihm - wie überall in der Welt - Triumphe bereitet wurden. Und in seinem Terminkalender ver­merkte er bereits Zusagen für 1983.

Freitag, 14. August, mittag, ist er in Salzburg gestorben. „Ich kann zwar nicht mehr dirigieren, aber ich möchte doch nach Salzburg, zu den Festspie­len, wo ich jetzt eigentlich arbeiten sollte“, hatte er seine Frau Thea und seinen Sohn Karlheinz gebeten. Er wollte noch einmal dabei sein. Böhm war zwar nach seinem Schlaganfall sehr schwach, aber er freute sich so, daß ihm niemand den Wunsch ab­schlug.

Schwarz beflaggt sind nun für Tage die meisten großen Opernhäuser und Konzertgebäude, Trauerfahnen an den Festspielhäusern in Salzburg und Bregenz, an der Wiener Staatsoper, an der Grazer Oper, wo er als Musi­ker begann, an den Opernhäusern von Hamburg, München, Berlin, Dres­den, Leipzig, Paris, Mailand, New York, Buenos Aires, ja sogar in Ja­pan.

Überall hatte Böhm mit seinem Musizieren Menschen glücklich ge­macht, die ihm in Tausenden Briefen dafür dankten, und zwar Publikum wie Künstler, mit denen er auf seine unverwechselbare Weise arbeitete. „Wissen Sie, wenn es einem plötzlich nicht gut geht, hilft es einem weiter, wenn man weiß, wieviel man noch zu tun hat und daß man so vielen Men­schen etwas geben kann“, sagte er selbst. Und zeigte dann Briefe voll Dank und Verehrung. Auch Briefe von seinen Lieblingssängern: von der unvergleichlichen Wagner-Soprani­stin Birgit Nilsson, von Christa Lud­wig, die er in Hannover entdeckt hat­te, von seiner „Kaiserin“ in der „Frau ohne Schatten“ und legendären Salo­me Leonie Rysanek, von Walter Ber­ry, Elisabeth Schwarzkopf und vielen anderen, die zu seinen Opernensem­bles gehörten: zum Mozart-, zum Wagner-, zum Strauss-Ensemble!

Karl Böhms Leistungen und Ver­dienste aufzuzählen, füllte Kataloge: Der Doktor juris, Dr. h. c. und Herr Professor war Österreichs einziger Generalmusikdirektor, ordenbelade­ner Ehrenbürger von Wien, Graz und Salzburg, Ehrenmitglied aller großen internationalen Musikinstitutionen, eine Art Vater für die Wiener Philhar­moniker, geistiger Testamentsvoll­strecker seines Freundes Richard Strauss, dessen Werk er unermüdlich pflegte.

Seine „Entführung“, seine „Cosi fan tutte“ und sein „Figaro“ sind in die Operngeschichte eingegangen, aber er war mit seinem legendären „Tristan“ auch Mitbegründer des Neubayreuther Stils eines Wieland Wagner und ein engagierter Kämpfer für neue Opernwerke wie Alban Bergs „Wozzeck“ und „Lulu“.

Verständlich, daß die Welt diesen Künstler feierte wie kaum einen zwei­ten. „Ein Kritiker hat einmal ge­schrieben, man müßte mich durch ei­ne Triumph-Pforte führen“, erzählte er manchmal nicht ohne Stolz. „Überall werde ich wie ein Kaiser von Österreich empfangen - ich, der Böhm von Österreich.“

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