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Abschied vom alten CV?

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Von 23. bis 25. Mai wird der österreichische Cartellverband (ÖCV) seine 17. Cartellversammlung in Innsbruck abhalten; eine „CVV“ — wie es im CV-Fachjargon heißt — die in mehrerer Hinsicht von besonderer Bedeutung ist.

Schon in der letzten FURCHE haben wir auf die Pikanterie hingewiesen, die sich durch die Kandidatur der zwei Farbstudenten Lugger und Kirchschläger ergeben hat. Neben seiner Mitgliedschaft im MKV ist Lugger auch noch Mitglied der ältesten CV-Verbindung Österreichs, der Austria-Innsbruck, die noch in diesem Monat ihr 110. Stiftungsfest feiern wird. Kandidat Lugger hatte bereits vor seiner Kandidatur als Innsbrucker Hausherr sein Erscheinen zur CVV zugesichert, wird aber jetzt unter Umständen infolge allzugroßer Wahlkampfbeanspruchung doch nicht nach Innsbruck kommen können.

Dennoch wird es an politischer Prominenz nicht fehlen; Grund dafür ist in erster Linie die Tatsache, daß es offenbar dem CV seit 1970 gelungen ist, wieder Tritt zu fassen und sich als eigenständige (und manchmal eigenwillige) Kraft zu präsentieren. Mit dem Wahlverlust der ÖVP 1970 war auch im CV einiges angeknackst worden. Zwar hat sich der CV als Verband nie als politischer Machtfaktor verstanden, aber die starken persönlichen Querverbindungen, die dazu führten, daß regelmäßig CVer in der ÖVP an vorderster Front tätig waren, haben zu einer starken Identifikation mit dieser Partei geführt. Das hat sich nunmehr in einem langsamen und beschwerlichen Prozeß geändert; der CV ist nicht mehr „Vorfeldorganisation“ einer Partei, geschweige denn ihr akademisches „Anhängsel“ — sondern ein Akademikerverband der seine Selbständigkeit errungen hat und diese auch nicht wieder verlieren möchte. Eine Situation, die selbstverständlich infolge der weltanschaulichen Nähe zur Volkspartei auch weiterhin ein gutes Verhältnis zu dieser Partei schafft.

So 'betonte kürzlich Nicht-CVer Schleinzer im Rahmen einer Wiener CV-Veranstaltung auf die Frage des Vorsitzenden' Franz Stadler: „Wir waren zwar nicht immer eines Sinnes, haben aber dennoch viel Gemeinsames in der Geisteshaltung.“

Der zweite bemerkenswerte Aspekt dieser CVV ist, daß es sich diesmal nicht nur um eine interne Vollversammlung der österreichischen Cartellbruder handelt, sondern daß neben den CV-eigenen Beratungen ein für die Öffentlichkeit zugängliches Symposium mit dem Titel „Wertvorstellungen für eine humane Politik“ stattfinden wird, für das eine Reihe international renommierter Vortragender zugesagt haben. Zu den Fragenkomplexen „Was ist human?“, „Sozialität des Menschen“ sowie Wertvorstellungen der Industriegesellschaft im Jahr 2000“ werden u. a. Prof .Iliies (Kiel), Professor Schneider (Wien), Prof. Goldstücker (London), Günther Schiwy (München) sowie Prof. Balint-Balla (Berlin) sprechen.

Dazu Franz Stadler: „Dieses Symposion mit seiner eminenten gesellschaftspolitischen Bedeutung soll Ansatzpunkt für die unmittelbare zukünftige Arbeit im CV sein.“

Daneben wird sich der ÖCV mit aktuellen Fragen der österreichischen Innenpolitik beschäftigen. Wie von Verbandsfunktionären verlautet, werden insbesondere die Themen-komplexe Hochschule (UOG-Ent-wurf, Numerus clauses, Hochschulfinanzierung), Demokratiereform und Familienrechtsreform zur Diskussion stehen.

In einem sicherlich nicht weniger brisanten Antrag, hinter dem eine große Mehrheit im Verband stehen dürfte, zeigt sich ebenfalls das Bestreben des Verbandes, aus dem „elfenbeinernen Turm“ auszubrechen: es geht um den Antrag, die Verbandszeitschrift „Academia“ in Hinkunft nicht mehr nur verbandsintern zu verteilen, sondern auch öffentlich zu verkaufen. Ein Antrag, der höchstwahrscheinlich eine Mehrheit finden dürfte, da sich die „Academia“ (die auch von Nicht-CVern gerne gelesen wird, wenn sie sich „im Schleich“ ein Exemplar beschaffen können) unter der Amtsführung Ernst Marboes und Peter Hofbauers zu einer für österreichische Verhältnisse überdurchschnittlichen Publikation entwickelt hat. Hand in Hand damit gehen die Bestrebungen der Bildungsakademie, mit einer Schriftenreihe, die zu aktuellen gesell-sellschaftspolitischen Fragen Stellung nehmen soll, an die Öffentlichkeit zu treten.

Alles in allem soll diese CVV nach dem Willen der Verbandsspitze ein Abschied an den introvertierten CV sein, der sich einige Jahre lang in stiller Selbstbemitleidung oder nostalgischer Bestätigung bei Bällen, Kommersen und anderen gesellschaftlichen Veranstaltungen gefiel; auf das Ergebnis sind nicht nur die CVer selbst gespannt.

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